Aus dem Tagebuch des Magiers Armanth DeLinth,
Spektabilität des Metamagischen Institutes der praktischen Magie zu Armida,
Baron von Armida, Held der Ogerschlacht,
Reichsberater auf Lebenszeit:
10. TSA 1020 vBF
Nun war es soweit. Nach etlichen Forschungen, Aufwendungen,
Rückschlägen und Diskussionen konnten wir das
große Ritual des Chr'Szess'Aich beginnen. Letzte Zweifel
nagten an mir.
War es wirklich richtig so einen Eingriff in das Gleichgewicht der
Kräfte auf Dere zu wagen? War es wirklich richtig Sumus Leib
eine solche Wunde zu schlagen nur um ein paar Gebäude und
einige Dutzend Leben zu retten? War es wirklich richtig das astrale
Muster Tobriens so zu vergewaltigen? Was würde hernach hier
entstehen?
Natürlich hatten wir vor das von uns durch das Ritual
verwüstete Land nach dem Sieg über Borbarad mit Hilfe
von Humusdschinnen zu restaurieren, aber würde es dasselbe
sein?
Fort mit den Zweifeln! Ich habe die Entscheidung getroffen –
und sie ist richtig! Auch dies diente schlussendlich nur dem Ziel
Borbarad das Handwerk zu legen und den Auftrag BORons zu
erfüllen!
Meine stellvertretende Spektabilität und Freund Dschelef Ibn
Jassafer trat in die Mitte des dreizehnzackigen Sternes der in den
Boden eingelegt war und lud uns ein hinzu zu treten. Einer nach dem
anderen trat vor und ließ einen Tropfen seines Blutes auf den
Herzstein des Rituales des Chr'Szess'Aich fallen.
Dann übernahm Torben. Schon seit Tagen war er aufgeregt wie
ein kleines Kind vor seinem TSAtag. Nervös hatte er alles
dutzendfach überprüft. Nun straffte er sich und nahm
seinen Platz als Führer des Rituals ein. Ein letztes Mal
blickte er uns alle in die Augen. Was er dabei wohl für
Gedanken hatte? Hatte auch er nochmals gezweifelt? Glaubte er in diesem
Augenblick wirklich die immensen Energien die wir brauchten alleine mit
den Astralspeichern unserer eigenen Kraft und den Kraftlinien erzeugen
zu können? Hatte er nicht insgeheim damit gerechnet, dass ich
das Notwendige auf mich nehmen würde um das Ritual des
Chr'Szess'Aich glücken zu lassen?
Mit fester Stimme lud er uns zum UNITATIO ein. Unisono rezitierten wir
den Cantus. Ich konnte fühlen wie sich mein Willen mit dem der
anderen verband. Ein Zaudern oder Zittern wie man es manchmal
spürt wenn man einen Unitatio mit unerfahrenen
Schülern zu Übungszwecken einging war hier nicht zu
spüren. Ja – hier standen Magii die sich ihren Ruhm
und ihre Titel zu Recht verdient hatten. Diese Geister würden
unter den anstürmenden Energien nicht wanken oder
zurück weichen.
Torben begann mit der stundenlangen Rezitation des Rituals. Ich hatte
ihn kurz vorher ein Artefakt benutzen sehen. Sicher hatte mein
Schlaukopf alle Attribute für einige Zeit um ein erkleckliches
Maß gesteigert. Gut so! Schließlich musste er als
zentrale Figur des Rituals des Chr'Szess'Aich alles fehlerfrei und ohne
zu zögern durchziehen.
Stunde um Stunde verging. Zäh tropfte die Zeit dahin. War
nicht jetzt der Zeitpunkt da, da der erste Kristall zerstört
und damit zusätzliche Energien freigesetzt werden sollten?
Aber Torben machte keine Anstalten dazu. Nun, vielleicht hatte er das
Ritual in letzter Minute leicht abgewandelt. Er war der Einzige der das
Ritual vollständig beherrschte. Dschelef und ich konnten
notfalls für einige Zeit übernehmen und den Aufbau
und Richtung der Kräfte steuern – aber
schlussendlich war es allein Torben der das Ritual zu einem
glücklichen Ende bringen konnte.
Weitere Stunden vergingen. Langsam wurden für uns die
fließenden Kräfte nicht nur spürbar, nein
inzwischen konnten wir, die wir im Zentrum des Rituals standen die sich
aufbauenden Muster sehen! Ein unerhört komplexes Muster wurde
hier gewoben! Da! Ein plötzlicher Energiestoß
schüttelte mich durch. Fast hätte ich den Kontakt
verloren! Doch mit einer kurzen Willensanstrengung hatte ich alles
wieder im Griff!
Heller und heller wurden die astralen Muster in diesem Raum. Mehr und
mehr dehnten sie sich aus. Bald würden sie sich soweit
ausdehnen, dass sie in der Ritualkammer selbst nicht mehr sichtbar sein
würden. Nun hatten wir ein Stadium erreicht, das es Einzelnen
erlaubte, den Ritualraum zu verlassen ohne den Kontakt zu den astralen
Mustern zu verlieren. Dies ermöglichte es, dass wir uns auch
anderen Dingen, wie Essen oder Trinken widmen konnten. Das half uns
beträchtlich, da wir so die eingesetzten körperlichen
Kräfte auffrischen konnten.
Mit einem Sprung verließen die arkanen Muster den Ritualraum!
Von nun an würden sie sich exponentiell ausweiten, um
schließlich das gesamte Gebiet das aus der Struktur Deres
gerissen werden würde, zu umschließen.
Weitere Stunden vergingen. Inzwischen hatten wir ein Stadium erreicht,
da es reichte wenn einer von uns dreien – Dschelef, Torben
oder ich – das zentrale Muster kontrollierten. Die anderen
konnten sich abwechselnd lösen, um ihren körperlichen
Bedürfnissen Rechnung zu tragen.
Zwischendurch hatte ich immer wieder einen feinen Energiestoß
bemerkt. Diese waren von außen gekommen. Es musste also zu
Kampfhandlungen gekommen sein und Wolfhagsson hatte erste Opfer
gefunden. Aber wenige – zu wenige!
Plötzlich war Unruhe bei Torben zu spüren. Wir
konnten regelrecht sehen, wie er einen Fühler ausstreckte und
einem bestimmten Kraftfluss folgte.
„Verdammt! Sie haben eine der Stelen entdeckt! Jemand
versucht mit verderbter Magie Einfluss zu nehmen!“, rief er.
Dann begann er damit, kunstvoll Energieflüsse umzuleiten und
Muster zu verändern. Er kämpfte gegen die negativen
Kräfte an.
Ein Adept näherte sich mir, als ich eine kleine Erfrischung zu
mir nahm und berichtete dass ein Magus auf einem riesigen Karakil eine
der Stelen angeflogen und dort mit einem Trupp des Gegners zu Gange
war. Ein riesiger Karakil? Das konnte nur dieser verräterische
Xarfaidon Giovarez sein! Wahrscheinlich musste ich noch
während des Rituals gegen ihn antretten! Verdammt –
konnte es noch schlimmer kommen?
Wieder vergingen unendliche Zeiten. Mit Geist und Willen
knüpften wir Verbindungen. Ließen ströme
arkaner Kraft fließen und woben astrale Muster nie gekannter
Komplexität. Hin und wieder spürte ich ein weniges an
Kraft das dem Ritual durch Wolfhagsson und den Adeptus
Bannwäldner zugeführt wurde.
Wieder berichtete ein Eleve dass sich draußen Furchtbares
abspielte. Eine seltsame Gestalt war aufgetaucht. In rote Roben
gekleidet bezeichnete sie sich selbst als obersten Richter und hatte im
Auftrag Borbarads das Todesurteil über Torben mich und alle in
der Akademie anwesendem verkündet. Er hatte ein weiteres Lager
errichten lassen. Als Schutz vor Angriffen waren große
Holzschilde aufgestellt worden. Auf diese hatte man Menschen gefesselt!
Jeder unserer Angriffe würde also als erstes wahrscheinlich
Unschuldige treffen!
Natürlich hatten wir diesen sogenannten Richter mit keinerlei
Antwort gewürdigt. Um uns zu provozieren hatte dieser Unmensch
daher angefangen mitgebrachte Gefangene zu foltern. Um unsere
automatische Abwehr aus Dschinnen und Fallen unbrauchbar zu machen,
schickte er immer wieder kleine Trupps von Gefangenen
lächerlich bewaffnet gegen die Akademie. Torben hatte in einer
Pause befohlen die Dschinne zurück zu halten und die armen
Bauern mit konventionellen Mitteln zu erlösen.
Einmal gefiel es diesem Henker der Dämonen eine junge Frau
mittels eines Katapultes gegen die Akademie zu schleudern. Diese arme
Frau wurde jedoch durch die Maga Cargosta mittels eines Luftdschinnes
gerettet.
Das Ritual ging weiter. Der Gegner wusste inzwischen wonach er suchen
musste und hatte jetzt der weitere Stelen besetzt. Wenn das so weiter
ging, war ein folgerichtiger Abschluss des Rituals nicht
möglich.
Die Stelen mussten befreit werden! Thallian, Salix und weitere
Kämpfer waren schon vor Beginn des Rituals in kleinen Trupps
in den Wäldchen stationiert worden. Sie würden nun
die Stelen vom Zugriff des Feindes befreien müssen. Dann waren
Druiden nötig, diese vom Einfluss des Feindes zu reinigen.
Heftige Kämpfe spielten sich ab. Auch Firunja war nicht faul.
Zusammen mit Hasan Ibn Achmed als Pilot hatte sie einige
Schützen und Kämpfer auf dem fliegenden Teppich
versammelt und diente als mobile Eingreiftruppe!
Einmal bat sie Magister Aleya Ambareth um Hilfe. Dieser flog mit dem
Trupp hinaus und bannte drei Dämonen die unseren Truppen
schwer zu schaffen machten. Als jedoch Xarfaidon selbst mit seinem
Karakil aufstieg, um sich um diesen lästigen Trupp zu
kümmern, waren sie zur Flucht in die Akademie gezwungen. Diese
anzufliegen wagte Xarfaidon nicht!
Der Feind hatte begriffen, dass hier etwas Größeres
geschah. Seine bisherige Zurückhaltung aufgebend griff er nun
meine Stadt Mundtbach an! Zum Glück war ich zufällig
anwesend, als das Tellergramm aus Mundtbach eintraf und berichtete,
dass an dem Angriff zwei Irrhalken beteiligt waren. Sofort
stürmte meine aufgebrachte Frau los! Mir blieb nur, ihr zwei
unserer Lehrkräfte, sowie zwei Adepten und einen Trupp
Landwehr als Schutz mit zu schicken!
Weiter ging das Ritual des Chr'Szess'Aich. Immer wieder mussten wir
gegen die verderbte Magie der Borbaradianer angehen. Aber immer wieder
spürte ich auch weitere Energien durch Bannwäldner
auf mich einfließen. Noch war es viel zu wenig –
aber sie half das Tun der Borbaradschergen zu kontern!
So ging das nicht weiter. Die Stelen mussten befreit werden! Um einen
effektiven Einsatz des fliegenden Teppichs zu gewährleisten,
musste Xarfaidon mit seinem Karakil verschwinden!
Aleya Ambareth und Prishya von Grangor waren sofort gerne bereit, mir
beim Bann dieser Ausgeburt der Höllen behilflich zu sein. Ich
hoffte, dass es uns gelingen würde auch während des
PENTAGRAMMA mit den Mustern des Rituals verbunden zu bleiben.
Zu dritt bestiegen wir die Dachplattform der Akademie und
wählten das vorgezeichnete Pentagramm aus, das dem Standort
Xarfaidons am nächsten lag. Schnell ergänzten wir
alles Notwendige. Im Unitatio befanden wir uns bereits. So gaben wir
uns die Hände und begannen mit der Rezitation des PENTAGRAMMA
– Cantus. Als fähigster Entschwörer
übernahm ich die Führung. Diesen Augenblick hatte
Xarfaidon sich ausgesucht einen weiteren Angriff auf unsere Trupps zu
fliegen.
Ich ließ die Kräfte des Pentagramma aus mir heraus
strömen und erfasste mit ihnen die arkane Signatur des
Karakil. Kaum hatte ich den Kontakt hergestellt zerrte die Wirkung
dieses mächtigen Bannspruches den Dämon in Richtung
unseres Pentagrammes! Dies geschah so leicht und mühelos, als
würde man nicht einen Gehörnten bannen. Es war mehr
wie das mühelose Einfangen einer Fliege, die sich an einem
sonnigen Wintertag zu früh aus ihrem Versteck gewagt hatte.
Erst versuchte der auf dem Karakil reitende Xarfaidon sein unheiliges
Reittier herum zu reisen, jedoch sah er schnell ein, dass ihm das nicht
gelingen würde. An seinem Gesicht konnte ich die brennende Wut
ablesen die ihn erfüllte. Voller Panik teleportierte er sich
davon!
Der Karakil war gebannt!
Da ertönte das hässliche Gekreische Xarfaidons
über das Feld! „Ich will diese Akademie brennen
sehen! Zum Angriff! Das wird euch den Kopf kosten!“ Der
Feigling hatte sich in die Arme dieses rot gekleideten Richters
geflüchtet!
Sofort war Bewegung bei den feindlichen Truppen auszumachen!
Überall lösten sie sich von den Stelen und einzelnen
Kämpfen und suchten die Akademie einzuschließen. Vor
Mundtbach hatte wohl eben eine Kampf stattgefunden. Ein Teil der Mauer
war eingestürzt. Doch von den Irrhalken war weit und breit
nichts zu sehen. Sie hatten dem Zorn Praiogards wohl nicht standhalten
können!
Ich befahl alle arkanen Kräfte in der Akademie zu sammeln.
Auch die Söldner und ein guter Teil der Landwehr sollten sich
zur Verteidigung der Akademie bereit machen. Mundtbach ließ
ich vollends entblößen. Da sich der Gegner
anschickte, die Akademie zu berennen waren dort Truppen
überflüssig. Der Verbindungstunnel wurde zum Einsturz
vorbereitet.
Weiter ging das Ritual. Inzwischen hatte ich das Zeitgefühl
verloren. Als wir auf dem Dach der Akademie gestanden hatten, hatte ich
das Muster der Kraftlinien über dem Land liegen sehen. Es war
geradezu ehrfurchtgebietend wie sich die Ströme dem Willen der
Magii im Ritualraum beugten.
Da! An einer Stelle war der negative borbaradianische Einfluss
versiegt! Firunja war es also mit den Ihren geglückt die Stele
zu erobern und durch einen Druiden reinigen zu lassen!
Immer mehr Energie floss in die Muster. Immer komplexer verstrickten
sich die Linien. Inzwischen waren sie von uns durch Erz und Humus
hindurch zu erkennen. Sie leuchteten in unseren Augen so stark
– mussten das nicht sogar die von Mada Ungesegneten in ihrer
an profane Sicht gebundenen Blindheit sehen?
Immer wieder und immer mehr drangen Kampfgeräusche sogar bis
zu uns in den Ritualraum vor. Die Schergen des Borbarad hatten wohl in
ihrer Verzweiflung begonnen die Akademie direkt zu berennen! Aber darum
konnten – nein durften wir uns jetzt nicht kümmern!
Dafür waren Thallian, Salix, Firunja und Wolfhagsson da.
Dafür hatten wir für gutes Geld die besten
Söldner angeheuert. Wir mussten das Ritual bis zum Ende
durchstehen!
Dumpf war ein schrilles Gekreische in der Kammer zu hören.
Eine irre Frauenstimme forderte immer wieder einen
„Mörder“ auf sich zustellen. Man habe
ihren Gatten getötet und sie wolle sich rächen. Nach
einigem wirren Gekreische war zu erahnen, dass ich gemeint war. Da ich
mich nicht erinnern konnte, jemanden außer in Notwehr oder
zur Verteidigung anderer getötet zu haben ignorierte ich das
Geflenne und machte weiter.
Die Kampfgeräusche waren heftiger und lauter geworden. Ein
Dröhnen drang zu uns – als ob jemand mit riesigen
Hämmern auf die Mauern einschlagen würde. Bald
erfuhren wir, was da vor sich ging. Irgendwie war es der Irrsinnigen
gelungen, unsere beiden elementaren Meister-Wächter zu
übernehmen und diese gegen die Akademie zu schicken. Auch
hatte sie einen der Herren der Lüfte umgedreht. So war es
einigen Karakilim gelungen, über der Akademie etwas ab
zuwerfen, das einige Dschinne dazu brachte gegen ihre anderen Kollegen
zu kämpfen. Da es sich aber nur um rund ein Fünftel
der Dschinne handelte, war ich zuversichtlich, dass wir diese mit Hilfe
der oben anwesenden Magii in den Griff bekommen würden.
Plötzlich verspürten wir ein Hemmnis im Fluss der
Kräfte! Irgendetwas oder irgendjemand stellte sich uns
entgegen! Sollte es uns nicht gelingen dieses Hemmnis zu beseitigen,
würden wir mit roher Kraft nur soviel in die neue Globule mit
nehmen können wie, die Kraftlinien eben umschlossen
– und das war bei Weitem zu wenig!
Ein Eleve kam plötzlich mit schreckgeweiteten Augen in die
Ritualkammer gestürmt! Die in der Akademie eingeschlossenen
Flüchtlinge und Bewohner Mundtbachs hatten eine Waffenkammer
gestürmt und sich bewaffnet! Sie tobten im Hof herum.
Anscheinend wurden sie von einer Magd aufgestachelt. Einer Magd?
Torben und ich eilten hinauf. Den Platz Torbens nahm inzwischen
Dschelef ein. Im Hinausgehen hatte ich noch sehen können, wie
er die Hand Shafirs nahm, um sich von ihm unterstützen zu
lassen.
Auf dem Balkon angekommen, sah und hörte ich, dass Praiogard
versuchte, die aufgebrachte Menge zu beruhigen. Mit Hesindian auf dem
Arm stand sie da und tat ihr Bestes. Doch sie wurde immer wieder von
Rufen aus der Menge unterbrochen und gestört. Ohne dass wir im
Ritualraum es bemerkt hätten, war es heller Mittag geworden.
Als ich mit Torben neben sie trat, verstummte die Menge. Umschau
haltend sah ich, dass zwei stämmige Söldner ihre
liebe Not damit hatten, die Menge am Sturm der Turmtür zu
hindern. Das war auch gut so. Es wäre den Eindringlingen
schlecht bekommen. Natürlich hörten unsere
Sicherungsmaßnahmen nicht vor der Akademie auf!
Auf meine Frage was dieser unziemliche Auflauf solle, trat eine junge
Frau hervor. Mir war sie das ein oder andere Mal beim erledigen
kleinerer Arbeiten begegnet. Elwene war wohl ihr Name.
Diese warf uns vor mit unserem Tun das Leben aller zu
gefährden. Wir wüssten gar nicht was wir da
täten und könnten die Kräfte gar nicht
beherrschen. Ein Seitenblick zeigte mir dass Torben dabei war die
Agitatorin zu untersuchen. Schließlich schüttelte er
den Kopf. Nein – diese Frau war nicht arkan begabt! Doch das
kam mir seltsam vor.
Auf meinen Vorwurf hin, dass eine einfache Magd dergleichen kaum
verstehen würde. Bewarf sie mich wiederum mit Beschimpfungen
und der Behauptung mehr von dem Ganzen zu verstehen als ich vermuten
würde. Wieder ging Murren und Geschrei durch die Menge. Ich
versuchte nochmals das Volk zu beruhigen, in dem ich darauf hin wies
welche Größen der Magie hier tätig waren
und dass dies die einzige Alternative zu den Folterkammern Borbarads
war.
Praiogard regte sich immer mehr über den Verrat der
Lehensleute auf. Es sei gegen das menschliche und vor allem gegen das
von PRAios selbst erlassene göttliche Gesetz der Ordnung! Sie
ging sogar soweit, der Menge mit dem Zorn PRAios zu drohen, sollten sie
es wagen ihre Waffen gegen ihren Baron zu erheben.
Durch das unentwegte Dröhnen des Kampfes vor den Mauern war
plötzlich ein heulendes Rauschen wie von einem Schneesturm zu
vernehmen. In einer Wolke glänzenden Schnees sprang
plötzlich Wolfhagsson über die Mauer und direkt zu
uns auf den Balkon! Vor Schreck verstummte die Menge und auch die
Aufwieglerin ließ keinen Laut mehr hören.
Wolfhagsson stand zwischen mir und Praiogard. Torben in ein Eck
gedrängt. Langsam machte Wolfhagsson einen Schritt auf meine
Frau zu. Ihr dabei in die Augen blickend. Plötzlich stammelte
diese „Mein Kind!? Niemals!“ Was ging da vor? Was
wollte Wolfhagsson? Hatte er sich nun doch gegen uns gewand? Einmal
Verräter immer Verräter?
Ihr Sonnenszepter hochreißend intonierte sie:
„Herr Praios, ewige Sonne, Trenner von Recht und
Unrecht! Gepriesen sei Deine Macht. Dein strafender Blick falle auf
diesen Frevler, der mir mein Kind entreißen will! ES
SEI!“
Vor diesem donnernden „Es sei“ warf sich
Wolfhagsson zitternd zu Boden. Verständlich – war er
doch selbst Zeuge gewesen wie dieser Befehl Dämonen und
Paktierer zerschmettert hatte!
In die furchtsame, erwartungsvolle Stille, die sich ob des
göttlichen Befehls ausgebreitet hatte – insbesondere
Elwene war in sich zusammengesunken und suchte sich hinter einigen
Leuten zu verstecken – fiel, trotz der Wolken, ein heller
Sonnenstrahl aus dem Himmel und hüllte Wolfhagsson ein!
Dieser schrie! Er schrie, als würde er auf offener Flamme bei
lebendigem Leibe gegrillt! Schließlich erlosch der strafende
Strahl PRAios’ und auch das schmerzhafte Schreien
Wolfhagssons verstummte.
Doch auf einmal geschah das Unmögliche. Wolfhagsson erhob
sich. Zitternd zwar und deutlich erschüttert –
jedoch ohne jeden körperlichen Schaden. Ungläubig
blickte die Menge auf ihn. Erblassend starrte Praiogard ihn an. Das
konnte nicht sein! Wiederum, diesmal zitternd und voller Zweifel, erhob
sie ihr Szepter. Ein gestammeltes „Es sei!“ kam von
ihren Lippen.
Meine Gedanken rasten. Was war hier los? Wieso wollte Wolfhagsson
meinen Sohn? Wieso war er vom Bannstrahl PRAios’ nicht
niedergestreckt worden? Das konnte eigentlich nur bedeuten, dass er
nicht mit frevlerischen Kräften im Bunde stand. Oder sollte es
solche Mächte geben die tatsächlich in der Lage
waren, PRAios die Stirn zu bieten?
Wolfhagsson drehte sich zu mir um und flüsterte „Gib
mir Deinen Sohn. Er wird zusammen mit meinem aufwachsen. Ihnen steht
eine große Aufgabe bevor.“
Was sollte dies nun wieder? Seit wann hatte er einen Sohn? Was
für eine große Aufgabe? Ich suchte in seinen
animalischen, gelben Augen nach Anzeichen des Wahnsinns. Denn was sonst
sollte ihn so sprechen lassen? Da war aber nur eine große
Traurigkeit gepaart mit festem Willen.
Eben wollte ich ihm antworten, ihn fragen, was dieser Irrsinn sollte
– da rief Praiogard „Niemals sollen Du und das Ding
dem Du Dich verschworen hast mein Kind bekommen! Eher sterben
wir!“ Dabei stierte sie auf eine leere Stelle des Balkons und
rannte auf die Brüstung zu!
Gleichzeitig sprangen Wolfhagsson und ich nach vorne. Doch Wolfhagsson
war wesentlich schneller. Mit einem Sprung riss er Praiogard und
Hesindian vom Geländer weg, den Aufprall mit seinem
Körper dämpfend. Geschmeidig erhob er sich und half
dabei auch Praiogard hoch.
Noch bevor ich etwas tun konnte, fegte unvermittelt ein Wirbelwind aus
Eiskristallen durch den Hof. Das Gesicht mit den Händen
bedeckt, wandte ich mich ab. Als der Wirbel verklungen war, stand ein
riesiger weißer Wolf mit Augen, die in unheilvollem Rot
glühten, im Hof. Schreiend stürzten die Leute zur
Seite.
Da ertönte eine mächtige stimme in unseren
Köpfen: „ Ich glaube es reicht jetzt!“
„Schwester, versündige Dich nicht am Leben deines
Sohnes!“
Auf dem Balkon. Mitten zwischen uns, materialisierte sich ein weiterer
riesiger weißer Wolf! Dieser schien missbilligend zu seinem
Artgenossen im Hofe zu blicken und zischte:
„Was hast Du hier zu suchen? Dies ist meine
Angelegenheit!“
Es entspann sich eine kurze heftige Diskussion der zwei
weißen Wölfe die deutlich machte, dass der im Hof
mit dem Vorgehen des auf dem Balkon Stehenden nicht einverstanden war
– obwohl dieser in der Sache wohl recht bekam.
Dieser Disput endete schließlich mit den Worten des auf dem
Balkon stehenden Wolfes: „Es wurde freiwillig gegeben
– und aus freiem Willen angenommen. Das Versprechen wurde aus
freien Stücken gegeben. Du kennst das Welten-Gesetz und das
Mysterium von Kha. Es gibt keine Macht oder Kraft die das
rückgängig machen könnte!“
Was war das? Wer war dieser weiße Wolf, dass er das heilige
Weltengesetz selbst anrief? Welche Wesenheit steckte in ihm, das
Mysterium von Kha – das die Götter selbst band,
anzurufen?
Mit einem Satz war der rotäugige Wolf auf dem Balkon. Beide
umkreisten sich einige Zeit. Es sah so aus, als würden sie
miteinander stumm kommunizieren. Das ein oder andere Mal schienen sie
kurz davor zu stehen sich auch körperlich zu
bekämpfen.
Ich stand daneben und konnte nichts tun! Weder gelang es mir auch nur
eine Faser meines Körpers zu bewegen, noch vermochte ich genug
Willen zu sammeln um in irgendeiner Form einzugreifen!
Plötzlich schien der Körper des Rotäugigen
zu zerfließen. Sich windend und streckend entstand an seiner
Stelle die Gestalt eines großen, hochgewachsenen Mannes.
Dieser sprach zu uns und der Menge.
Als Jarlak von Ehrenstein, Ahnherr des Hauses Ehrensteins und Diener
des grimmen FIRun stellte er sich vor. Er sprach davon, dass wir einen
verzweifelten Kampf zum Schutze des Landes vor dem Zugriff des
Dämonenmeisters führten. Und dass er gekommen sei,
uns allen beizustehen.
Doch zuvor müsse ein Vertrag erfüllt werden.
Wolfhagsson habe um das Leben Praiogards und Irminas zu retten, dem
anderen Wolf den damals noch Ungeborenen versprochen. „Nach
dem Mysterium von Kha müsst Ihr diesen Handel vollziehen. Ihr
habt keine Wahl!“
Wieder wurde hier im Zusammenhang mit meinem erst wenige Tage altem
Sohn das Mysterium von Kha angerufen! Was spielten hier für
Mächte ihr Spiel? Was waren das für Wesenheiten, dass
selbst ein Heiliger des FIRun sich nicht in der Lage sah einzugreifen?
Wieder trat Wolfhagsson zu Praiogard und wollte ihr das Kind nehmen.
Diese wehrte sich nach Kräften und flehte, ja befahl mir
schreiend: „Nein das dürfen sie nicht! Tu etwas!
Vernichte sie mit Deinen verfluchten Zauberkräften! Gib ihnen
nicht unser Kind!“
Was sollte ich tun? Mich gegen diesen seltsamen weißen Wolf
stellen? Selbst wenn mir dies gelänge – sollte ich
dann einen heiligen Alveranier angreifen? Sollte ich mich über
Gebote hinwegsetzen, die selbst die Götter und Giganten banden?
Ich blickte mich um. Torben war offensichtlich von den Ereignissen
überwältigt. Wolfhagsson warf mir einen fast
flehentlichen Blick zu – die Hände nach meinem Sohn
ausgestreckt. Der Wolf schien mich herausfordernd anzulächeln.
Jarlak blickte mich aus kalten, emotionslosen Augen an. Nein hier
konnte ich nirgends Hilfe finden.
Dies war – wie so oft – allein meine Entscheidung.
Meinen Sohn einem ungewissen Schicksal überlassen, oder das
Ritual gefährden und gegen eine unbekannte, offensichtliche
höhere Macht antreten, mich dabei über alveranisches
Gesetz hinwegsetzend?
Mein Blick wanderte über die mich umgebenden Gesichter. Der
ratlose Torben, Wolfhagsson, der sich in etwas eingelassen hatte, das
seinen Horizont offensichtlich bei weitem überstieg. Die Menge
im Hof. Männer, Kinder, Alte. Eine Mutter die ihre zwei
kleinen Kinder mit ihren Gesichtchen in ihre Schürze
drückte. Leicht über sie gebeugt. Sie
schützend, wohl wissend, dass sie niemals in der Lage sein
würde etwas gegen die sie umgebenden Gefahren auszurichten.
Ihren flehentlichen Blick auf mich gerichtet, vor Angst und Entsetzen
erstarrt. Alleine mit ihren Augen um das Leben ihrer Kinder bittend.
Würde ich ablehnen, wäre Wolfhagsson bestimmt nicht
mehr in der Lage mir die Energien der von ihm Getöteten
für das Ritual zukommen zu lassen. Es würde fehl
gehen und auch diese Mutter mit den Ihren würden unter den
bluten Messern der borbaradianischen Horden fallen.
Nein! Ich konnte – ich durfte - mich nicht über die
Götter erhaben wähnen. Wenn diese an das Weltengesetz
gebunden waren, dann galt dies, trotz oder vielleicht gerade wegen all
meiner arkanen Macht, für mich erst recht!
„Tut mir leid, meine Liebe!“ sprach ich, mich leise
zu Praiogard wendend. „ Du solltest als Geweihte wissen, dass
selbst ich gegen das Mysterium von Kha machtlos bin.“
Aufheulend, mit irrem Blick zog sich Praiogard weiter von Wolfhagsson
zurück. Um zu verhindern, dass sie oder mein Sohn Hesindian
verletzt würden, paralysierte ich Praiogard kurzerhand, nahm
ihr unseren Sohn aus den Armen und übergab ihn Wolfhagsson.
„Er wird leben und mit meinem Sohn aufwachsen“
murmelte dieser. Dann wendete er sich um und hielt Hesindian dem
weißen Wolf hin. Dieser nahm vorsichtig, fast
zärtlich einen Zipfel des Tuches in das er gewickelt war
zwischen seine Fänge – und verschwand!
Jarlak nahm die aus ihrer Erstarrung erwachenden Praiogard in den Arm
und versuchte ihr Trost zu spenden. Doch stieß ihn diese
zurück. Leise schluchzend lehnte sie an der Mauer. Da
ertönte wieder die geifernde Stimme der Elwene. Wir
hätten nicht die Macht das Ritual zu vollenden. Uns fehlte die
notwendige arkane Kraft Akademie und Stadt zu retten!
Zu aller Erstaunen trat da auf einmal die alte Käthe vor.
Käthe, die Amme Irminas, die sich auch zärtlich um
Shafir gekümmert hatte.
„Und wir?“, sprach sie, dabei mit einer Armbewegung
den Hof umfassend, „Was ist mit uns? Können wir
nichts tun? Ist es nicht so, dass die Schwarzmagier Menschen opfern
für ihre finsteren Rituale? Was ist wenn ihr uns
opfert?“
Von soviel Treue überwältigt musste ich gestehen,
dass dies zwar möglich sei – ich ein solches Opfer
jedoch niemals erbitten, geschweige den befehlen könnte!
„Ich bin alt,“ sprach sie daraufhin, „ich
habe mein Leben hinter mir. Ich habe nichts außer meinem
Leben, doch dieses will ich gerne geben, wenn damit meine Tochter und
mein Enkel gerettet werden können!“
Und zu meinem Erstaunen erhob sich zustimmendes Gemurmel in der Menge.
Rufe wurden laut. „Ja, unsere Kinder sollen leben!“
und „Blut für unsere Kinder, Blut für das
Ritual!“
Erschüttert stand ich da. Mit erhobenen Armen forderte ich die
Menge zur Ruhe auf, als Praiogard aufsprang und schrie: „Seid
ihr denn alle von Sinnen, Ihr wollt Euch für finstere
Blutmagie abschlachten lassen?! Ihr werdet in den Niederhöllen
schmoren, bei PRAios! Niemals werde ich das erlauben!“
Doch wieder wurden die Rufe laut. Mehr und leidenschaftlicher noch als
zuvor. Alle richteten wieder ihren erwartungsvollen, fordernden Blick
auf mich.
Und wieder war es allein an mir. Sollte ich das Angebot der
Dörfler ablehnen? Durfte ich es ablehnen? Hatte ich das Recht
als Baron und hochrangiger Magus dieses Opfer anzunehmen?
Nein! Weder Baron noch Magus dürfen so etwas erbitten oder
befehlen.
Aber ich konnte es. Ich, der ich zur Rettung dieser Leute alles zu
geben bereit war, ich der seinen eigenen Sohn schlussendlich zur
Rettung dieser Leute gegeben hatte, ich der Vater mit blutendem Herzen
durfte dieses Angebot annehmen!
„So sei es! Bereitet Euch vor. Mit eurem Opfer wird das
Ritual gelingen!“ Da warf sich Praiogard auf mich und
trommelte weinend, mich und alle anderen verfluchend, mit ihren
Fäusten auf mich ein. Schließlich brach sie
entkräftet zusammen. Ich wies zwei der Wachen an, sie in ihre
Räumlichkeiten zu bringen und dort gut auf sie acht zu geben.
Noch einmal drehte sie sich um und schrie mich mit wutverzerrtem
Gesicht an „ICH HASSE DICH!“
So hatte ich wohl außer meinem Sohn auch meine Frau verloren.
Da trat Elwene vor und sprach: „Gut, wenn ihr uns denn alle
retten wollt, dann wollen auch wir, die Verschwiegenen Schwestern und
Töchter der Erde von Mundtbach unseren Teil dazu
beitragen.“
Sechs weitere Frauen und ein Mann traten hinter sie. „Wir
brauchen 16 Freiwillige um die neue Generation Armidas zu
pflanzen!“
Bewegung kam in den Hof. All jene die sich für Armida zu
opfern bereit waren, nahmen von den Ihren Abschied. Sechzehn junge
Frauen und Männer gesellten sich zu den Hexen.
Da sprach Jarlak: „Wenn ihr Euer Leben geben wollt, dann gebt
es im Kampfe. Habt keine Furcht, ich werde an Eurer Seite
kämpfen. Es wird die letzte Schlacht des Wolfes
werden!“
Zu mir blickend sagte er: „Ihr wisst, was Ihr zu tun
habt?“ Nickend gab ich ihm meine Zustimmung.
Ein ältere Mann in der Menge, sein altes schon
grünspaniges Schwert in der Hand erhob den Blick zu Jarlak und
begann zu sprechen: „Oh mein grimmiger Gott. Gott der Jagd
und des Eises, ich bitte dich um zwei Dinge: Schenke mir Mut
für die kommenden Stunden und verbanne meine Furcht mit Deiner
gnadenlosen Kälte, damit ich tun kann, was getan werden
muss.“
Und immer mehr und mehr der Dörfler und Flüchtlinge
fielen ein.
„Für alles was wir hätten tun
müssen und nie getan haben, für alles was wir
hätten denken müssen und nie gedacht haben,
für alles was wir hätten sagen müssen und
nie gesagt haben, bitten wir Dich oh grimmiger Gott um Vergebung.
Dort treffe ich meinen Vater, dort treffe ich meine Mutter, meine
Schwester und meine Brüder. Dort treffe ich dann all jene
Menschen meiner Ahnenreihe, von Beginn an.
Sie rufen bereits nach mir. Sie bitten mich meinen Platz zwischen ihnen
einzunehmen. In den ewigen Jagdgründen, wo die Tapferen
für alle Ewigkeit leben!“
Dann nahmen sie ihre Waffen, Schwerter und Piken, Strohgabel und
Dreschflegel, Ochsenjoch und Stuhlbein, fester in die Hand. Und mit dem
festen, stählernen Willen des Kämpfers, der sich
seines Todes gewiss war, schritten sie jeder an mir vorbei.
Währenddessen war ich nach unten geeilt und hatte mein
Bannschwert bereit gemacht. Zusammen mit einem der Druiden hatte ich
schnell den Zauber darüber gesprochen, den auch Adeptus
Bannwäldner auf das Schwert Wolfhagssons angewendet hatte.
Jedem der Freiwilligen schnitt ich mit meinem Bannschwert in den linken
Arm und strich dann mit dem blutigen Schwert über seine Waffe.
Und ich sah jedem von Ihnen fest in die Augen, bevor sie zum Tor
hinaustraten, dem vorangehenden Jarlak folgend. Nun würde
jegliche Lebenskraft derer, deren Blut mein Bannschwert benetzt hatte
und all derer die mit den von diesem Blut bestrichenen Waffen
getötet würden, über mein Bannschwert als
Fokus in das Ritual eingehen und sein Gelingen sicher stellen.
Mit einem Kampfesmut der so manchem Rondrianer nicht zu Eigen ist,
stürzten sie sich auf die Horde derer die ihren Familien nach
dem Leben trachteten.
Mich umwendend fand ich Torben vor mir. Mit geweiteten Augen fragte er
mit zitternder Stimme: „Was hast Du getan?“
„Fragt mich das nie wieder, mein Freund! Nun geh in den
Keller und nimm Deinen Platz ein! Ich werde Dir die notwendigen
Energien zuführen.“
Nach einem kurzen verunsicherten Nicken verschwand auch Wolfhagsson.
Meinte ich sein gehauchtes „Ich werde das Meine
dazutun“ nur zu hören, oder hatte ich es in seinen
Augen gelesen?
In der Ritualkammer angekommen, nahm der nun wieder Gefasste wieder
seinen Platz ein. Und das war auch gut so. Denn schon spürte
ich die Kraft all jener, die vor den Toren Armidas fielen auf mich
einströmen. Mehr und immer mehr drang auf mich ein. Manchmal
vermeinte ich dabei Gesichter der Verstorbenen zu sehen. Den alten
Reto, der den Dorfkindern so gern die Weidenpfeifen schnitzte. Jarla,
die so herrlichen Fruchtquark zu bereiten verstand, Piejetrosch, einen
der Bauern die Vasily aus dem bornischen gebracht hatte und nicht
müde wurde, jeden über die richtige Aufzucht von
Tüfften zu belehren, die krumme Sinja, von ihren
Kräuterkenntnissen hatten hier Generationen profitiert.
Langsam und dosiert ließ ich all diese Energien auf Torben
übergehen. Gleichgerichtet und
„gesäubert“ auf dass er in seiner
Konzentration nicht nachlasse. Erfreut stellten wir fest, dass
praktisch alle Stelen wieder sauber waren. Nur eine blieb dunkel. Von
ihr näherte sich ein dunkler finsterer Kern, dieser schien
alles in sich aufzusaugen. Torben versuchte ihn abzudrängen.
Dies gelang ihm jedoch nicht. So versuchte er ihn mit gezielten
Stößen reiner Energie zu zerstören. Zwar
zuckte und zerfaserte dieser schwarze Kern an den Rändern,
doch er näherte sich weiter.
Sollte es dieses schwarze Loch tatsächlich bis ins Zentrum
schaffen, so war alles verloren! All unsere Mühen
wären umsonst gewesen! All die Opfer der braven
Bürger für nichts! Das durfte nicht sein. Ich
sammelte alle Kraft die mir zufloss. Tat all meine eigene Kraft hinzu
öffnete auch die letzten Schranken und spürte das
Blut aus meinen Augen fließen. Ich machte mich bereit, mit
diesem riesigen Hammer arkaner Kraft mit meinem Selbst steuernd diesen
schwarzen Kern zu zertrümmern – da brach eine Welle
astraler Energien aus unserem Zentrum und warf den schwarzen Kern
zurück. Und nochmals! Und nochmals!
Torben hatte erkannt, dass dieser Feind nur mit geballter Macht zu
vernichten war – und zertrümmerte einen
Kraftspeicher nach dem anderen mit seinem reinen Willen. Dabei
zischelte und zischte er die echsischen Worte des Rituals des
Chr'Szess'Aich heraus. Mit jeder Welle wurde der schwarze Kern kleiner.
Schließlich zerfaserte er unter den Energien völlig.
Da griff Torbens Geist plötzlich nach dem meinen. Ich
spürte, dass er gleichzeitig nach jedem hier im Raum griff
– ja über den Raum hinaus griff er nach jedem, der
auch nur einen Funken arkaner Energien sein eigen nannte! Er bat nicht,
nein hungrig forderte er jedes Quant Energie dessen er habhaft werden
konnte! Alles, alles musste er haben. Das war nicht mehr Torben
– das war das von uns erhobene Ritual selbst, in Torben
manifestiert, das sich zu speisen versuchte.
Mit einer unglaublichen Anstrengung warf Torben all diese Energien von
sich. Leitete sie in das fertige astrale Muster, das sich, so mit
riesigen Energien gespeist, mit einem gewaltigen Sprung ausbreitete.
Die Zeit schien still zu stehen. Mit weit aufgerissenen Augen stand
Torben in der Mitte. Die Arme weit ausgestreckt starrte er in die
Ferne. Fast war es, als würde er jemanden oder etwas sehen das
ihn erschreckte. Da wurde es plötzlich grau und dunkel. Es gab
ein reißendes Geräusch, so als ob eine riesige
Stoffbahn entzwei gerissen würde und dann bebte die Erde, so
dass viele von uns zu Boden geschleudert wurden. Dann erloschen die
Kraftlinien zu den Stelen, das astrale Muster verschwand!
Es war geschafft! Das Ritual des Chr'Szess'Aich war zu Ende! Zu Tode
erschöpft fielen manche zu Boden.
Schwankend klammerte ich mich an meinen Stab. Nach einigen
Atemzügen quälte ich mich die vielen Stufen des
Turmes hinauf. Im verwüsteten Garten angekommen, trat ich an
die Brüstung. Das Gemetzel war zu Ende! Zahllose Leichen lagen
rings um die Akademie. Zwischen ihnen gingen Söldner und
Dörfler umher, um nach verletzten zu suchen. Doch wo kamen die
Wölfe her? Dutzende und Dutzende von ihnen streunten zwischen
den Leichen umher. Viele sammelten sich um einen riesigen schwarzen
Wolf, knapp anderthalbmal größer als alle anderen,
der mitten im dichtesten Haufen von Opfern stand. Ich vermeinte in
dieser Gestalt Wolfhagsson zu erkennen. War es das, was er gemeint
hatte? Hatte er diese Wölfe gerufen?
Schon machten sich die ersten Leute ans aufräumen. Ja, so
waren sie meine Tobrier. Immer das Praktische im Kopf. Da sie die
ungeheuerlichen Ereignisse nicht verarbeiten konnten, taten sie das was
sie kannten. Aufräumen, für Ordnung sorgen. Sich um
die Seinen kümmern und den anderen helfen. Unbändiger
Stolz erfüllte mich! Ja, für diese Leute hatten sich
all die Mühen gelohnt! Um diese Leute zu retten war es jedes
Opfer wert gewesen!
Nachdem ich unseren guten Vogt tatsächlich unter den
Überlebenden fand, wollte ich ihm Anweisungen geben
– doch das hätte nur gestört. Von Kopf bis
Fuß mit Blut bespritzt, den linken Arm in eine provisorische
Schlinge gelegt, stützte er sich auf eine blutverkrustete
Holzfälleraxt und gab Anweisungen. Wortlos reichte ich ihm
einen Heiltrank. Mit einem Nicken nahm er ihn entgegen – und
humpelte zu einem Jüngling hinüber, dem ein
Schwerthieb tief in den Leib gefahren war.
Langsam kamen die am Ritual Beteiligten nach oben. Entsetzen machte
sich auf ihren Gesichtern breit. Das Akademiegebäude war an
einer Stelle in den obersten zwei Stockwerken eingestürzt.
Heftige Kämpfe hatten auch hier im Hof getobt. Ich fing an,
jeden nach seinen heilerischen oder sonstigen Fähigkeiten
einzusetzen. Und alle halfen. Erschüttert von den Ereignissen
war sich auch eine Spektabilität nicht zu schade, Binden zur
Hand zu nehmen und einfache Leute zu verbinden.
Das würde noch lange Zeit dauern. Ich war todmüde,
doch durfte es für mich erst Ruhe geben wenn meine Leute
versorgt waren.
12. TSA 1020 vBF
Fragment aus den geheimen Aufzeichnungen des Mobuto Katanga, verfasst
während seiner Zeit im Körper des Hasan Ibn Abdul.
Wir dürfen nicht zulassen, dass dieses Schreckliche bekannt
wird! So schnell es ging eilte ich mit Hasans Körper in den
Turmgarten. Dort beschworen wir gemeinsam mit unseren letzten
Kräften einen Elementaren Diener des Humus. Diesem befahlen
wir, den Spalt in der von uns angewiesenen Tür zu
verschließen. Niemand sollte, niemand durfte den Schrecken
sehen, der sich hinter dieser Tür abspielte.
Hasan war angewiesen worden, ihrer Spektabilität, die sich vor
Stunden mit der Anweisung unter keinen Umständen
gestört zu werden, in sein Gemach zurückgezogen
hatte, mit etwas Wein und Brot zu versorgen. Vor seiner Tür
hatten wir den Spalt im Holz bemerkt. Um nicht zu stören
hatten wir hindurch geblickt, um zu erfahren ob seine
Spektabilität vielleicht schliefe. Da sahen wir ihn mitten im
Raum stehen, nach vorne gebeugt, das Gesicht in den Händen
vergraben. Erst dachten wir dies wäre seine Art zu meditieren
– doch da konnten wir das Undenkbare sehen und
hören. Der Meister weinte!