Aus dem Tagebuch des Magiers Torben ibn Abdul ibn Alhazred:

07. Efferd 26 Hal
An einer kleinen Bucht, nahe Tuzak, Maraskan

Die letzten Sonnenstrahlen berührten die Wasseroberfläche durch einen unheilverkündend Wolken verhangenen Himmel.
Gespannt warteten wir an der vereinbarten Bucht auf die Ankunft der angekündigten, aber nicht näher spezifizierten, Verstärkung.
Was würde auftauchen? Eine Schaluppe mit ein paar notdürftig zusammengetrommelten Söldnern? Eine Armada mit der halben garethischen Armee? Oder irgendetwas dazwischen?

Unsere Wildniskundigen hatten die Umgebung nun zum zweiten Mal abgesucht, aber keine fremden Beobachter gefunden.
Endlich tauchte ein schnell näher kommendes Segel am Horizont auf. Die untergehende Sonne tauchte die Segel in ein blutrotes Licht. Salix und ich grinsten uns an. Das Schiff kannten wir! Die "Seeadler von Beilunk". Das war schon mal kein schlechtes Zeichen. Eine Weile hielten wir noch nach weiteren Schiffen Ausschau, aber vergeblich. Nun, was immer die an Bord hatten, würde wohl reichen müssen.

Elegant segelte das Schiff in die Bucht und ließ Anker zu Wasser. Als erstes sahen wir eine alt bekannte Gestalt am Bug der Trireme stehen. Kaum berührte der Kiel das sandige Ufer, sprang sie auch schon mit lässiger Eleganz über die Reling und stampfte die letzten Schritte zu uns. Eine Gestalt wie aus alten Kriegerlegenden. In seine glänzende Garether Platte gehüllt, die seinem muskulösen Oberkörper perfekt angepasst worden war, und mit den passenden vergoldeten Arm- und Beinschienen, schritt uns breit grinsend Oberst Rubald von Jergan entgegen. Veteran der Ogerschlacht und des Orkkrieges. Anführer der Blutroten Raben von Armida und aktuell Führer der persönlichen Leibgarde von Reichsbehüter Brin.

Während wir ihn noch freudig begrüßten, kamen weitere Gestalten in Sicht die noch abwarteten, bis eine Planke zum Ufer gelegt war. Das Licht gleißte auf weißen Uniformen und goldenen Verzierungen der Praios-Kirche. Der Erwählte Ucurian Jago und der uralte Inquisitor Armando Laconda DaVanya. Beide wären uns zu anderen Zeiten vermutlich nicht gerade willkommen gewesen, aber hier und heute konnten wir uns kaum bessere Verbündete gegen die Finsternis vorstellen. Wenn sich jemand Dämonen in den Weg stellen konnte, dann diese Günstlinge des Sonnengottes.

Rubald hatte 10 Elitekrieger zusammengetrommelt und brachte außerdem 64 Sonnenlegionäre und 12 Ritter des Ordens vom Heiligen Bannstrahl Praios mit. Die Sonnenlegionäre wurden von Hauptman Praiodan von Gareth angeführt. Außerdem waren Commandanta Katalinya Adranez vom Orden des Schwarzen Raben von AlAnfa und der Golgarit Gernot von Mersingen an Bord. Wir kannten beide aus Punin, als uns der Rabe von Punin den Auftrag gab auf diese götterverfluchte Insel zu reisen.
 
Während wir noch dabei waren die hohen Gäste zu begrüßen, ertönte plötzlich lautes Vogelgeschrei aus einem Gebüsch am Waldrand. Als wir uns umdrehten, sahen wir ein knappes Dutzend Raben auf ein Gebüsch, oder besser auf etwas in dem Gebüsch verstecktes, einhacken und aufgeregt Krächzen. Raben, die heiligen Vögel Borons. Das konnte nur ein Zeichen sein! Wie ein Mann ertönte aus vielen Kehlen der Ruf: "Ein Spion! Ergreift ihn!".

Der erste Soldat der sich dem Gebüsch näherte konnte seinen großen Schild gerade noch rechtzeitig hochreißen, um einen ganzen Schwarm Wurfsterne abzufangen. Dann rannte jemand durch das Unterholz davon.

Für einen so großen Mann unerwartet schnell, hetzte Rubald los und umrundete einen langsameren Soldaten. Dadurch geriet er allerdings in die Flugbahn von Firunjas erstem Pfeil, der sich durch seine Panzerung hindurch in seine Schulter bohrte. Wütend bremste er ab, drehte sich um und setzte zu einer wütenden Schimpftirade an. Als er aber in Firunjas schuldbewusstes Gesicht sah, glitt sein Blick einen Moment anerkennend weiter nach unten bevor er meinte: "Ach was soll’s. Nix ernstes passiert. Passt nächstes Mal halt besser auf."

In wilder Hatz verfolgten wir den Unbekannten, der versuchte sich abzusetzen. Als wir schon glaubten ihn eingekreist zu haben, hörte ich ihn Worte in einer alten verbotenen Sprache rufen. Nur ein Wort davon konnte ich verstehen: "Nuntiovolo". Die Beschwörung eines dämonischen Botenvogels! Viel zu weit entfernt um selber eingreifen zu können, rief ich meinen zuerst verwirrten Freunden zu, den Vogel sofort abzuschießen. Als aus der Richtung des Spions ein vage vogelähnliches, zerrupftes Etwas davon schoss, klickten die Armbrüste und zischten Wurfmesser durch die Luft. Dem ersten Geschosshagel konnte der Botenvogel entkommen, dann jedoch traf ihn ein Flammenstrahl von DeLinth, der ihn in der Luft in Asche verwandelte, die sich noch im herabfallen auflöste. Der Spion wurde derweil schnell und effektiv erledigt.

Unsere Anlandung sollte damit wohl weiter geheim bleiben.

Im Boron Tempel erfolgte dann eine kurze Lagebesprechung. Rubald hatte Pläne des Herrscherpalastes mitgebracht, die er an uns und alle Gruppenführer verteilte.
Er erwähnte kurz, dass die KGIA, aus ihm ebenfalls unbekannten Gründen, gerade Kopf stehen würde. Alle Agenten waren in die Zentrale beordert worden und der Geheimdienst gab an, keine Truppen beisteuern zu können, bis das interne Problem gelöst war. Rubald bedauerte dies, denn die 11. Schwadron Raul, der geheime eiserne Arm der KGIA wäre die perfekte Ergänzung seiner Truppe gewesen. Nach dem Eintreffen der Informationen aus Maraskan über die göttliche Verständigung, hatte KGIA-Leutnant Gerdenwald eigenmächtig (was ihm später einen Rüffel von Dexter Nemrod einbringen sollte) eiligst eine vertrauenswürdige Truppe zusammenziehen lassen. Ohne die KGIA Truppen waren es weniger als er oder wir gewünscht hätten, aber was sie an Quantität nicht erreichten, machten sie in Qualität mehr als wett. Da wir mit zahlreichen dämonischen Gegnern rechneten, war keiner ohne eine geweihte Waffe unterwegs und auch unseren Gefährten wurde angeboten ihre Ausrüstung entsprechend zu ergänzen.
Rubald hatte in einem Anfall ungewohnten geistigen Scharfsinnes sofort einen Eilboten mit ausdrücklichen Instruktionen nach Armida geschickt. Dort hatte Thyria Ehrwald alles an Heiltränken, Zaubertränken und Waffenbalsam zusammengepackt, was gerade verfügbar war und der gute Hasan hatte sich in mehreren Sprüngen damit direkt zum Hafen von Perricum teleportiert.

Die Praios Geweihten wollten zuerst einen ausführlichen Bericht der bisherigen Ereignisse. Nachdem Salix diese ihrem Geschmack nach etwas zu stark dramaturgisch beleuchtet darstellte, wobei mir seine Version sehr gut gefiel, schickte man mich vor. Unter dem prüfenden Blick der beiden Geweihten gelang es mir nur sehr wenig auszulassen. Zum Glück interessierte sich niemand dafür, woher ich so genaue Kenntnisse der echsischen Kultur hatte. Da ich meine Antipathie den Geschuppten gegenüber problemlos glaubhaft machen konnte, fragte man in dieser Richtung nicht weiter nach. Jede Kooperation mit den Echsen wurde von Ucurian verdammt, in Anbetracht der Umstände und des von uns gegebenen Ehrenwortes gestand er uns jedoch zu, dass wir Recht gehandelt hätten. Auch wenn er dabei mit den Zähnen knirschte. Ich versuchte auch gar nicht erst unsere Funde an Endurium zu verbergen. Dies war immerhin Eigentum der Kirche. Welcher Kirche, sorgte kurz für Diskussion, als bekannt wurde, dass es sich nicht um die üblichen 7 bis 9 Stein sondern um ganze 28 Stein Endurium handelte. Die Existenz von weiteren ca. 50 Stein die laut den Unterlagen des Zauberschmiedes bereits abtransportiert worden waren, verschlug allen Neuankömmlingen buchstäblich die Sprache.

Als ich die Ereignisse in der Endurium-Mine schilderte, konnte ich mir einen Kommentar zu den unmenschlichen Lebensumständen der Minenarbeiter nicht verkneifen. Meine Meinung, dass es sich hier klar um unrechtmäßige Sklaverei handelte, traf auf gemischte Reaktionen. Der uralte Armando Laconda DaVanya nickte sowohl beifällig wie nachdenklich, während Ucurian Jago streng widersprach. Hier handle es sich um rechtmäßig verurteilte Verbrecher die ihre wohlverdiente Strafe absäßen.

Da dies weder die Zeit noch der rechte Ort für eine derartige Diskussion war, gingen wir dann weiter zum Angriffsplan über.

Armando Laconda DaVanya ergriff das Wort und schilderte den Plan den er mit seinem Stab vorbereitet hatte. Diskussionen oder größere Änderungswünsche ließ er nicht zu.

Der Plan sah einen offenen Anmarsch durch das Haupttor des "Weißen Palastes" vor. Man rechnete nicht damit, dass es irgendein Gardist wagen würde die Hand gegen eine Gruppe von Sonnenlegionären in vollem Ornat zu erheben.

Vor dem Palast sollte sich dann die Angriffstruppe in drei Abteilungen trennen. Garafan 1 und Garafan II würden das Haupthaus halten und der Stoßtrupp Ucuri würde mit uns zusammen unter seiner Führung direkt zu den Gemächern der Fürsten vorstoßen. Dort würden wir ihn gefangen setzen und abtransportieren. Inqusitionsrat DaVanya verfügte über die Ermächtigungen die Herrschaft über Maraskan vorläufig zu übernehmen. Unterschrieben und gesiegelt von Brin persönlich.

Nachdem wir unsere Zusammenarbeit mit den Truppenführern abgesprochen hatten, verteilten DeLinth und ich die vorbereiteten Applikatus-Artefakte und behandelten die wenigen übrigen nicht-magischen Schwerter mit Waffenbalsam. Für Rubald's Großen Sklaventod, der so hässlich wie groß war, benötigten wir gleich zwei Portionen. Ich gehe davon aus, dass er im Dienst normalerweise keinen Sklaventod trägt, denn es ist eine zwar effektive aber äußerst hässliche und unelegante Waffe.

Eigentlich hatte ich mit einem geheimen Einsatzkommando und einer Nacht- und Nebelaktion gerechnet. Als wir daher mit wehenden Bannern und begleitet von den Gesängen der Sonnenlegionäre offen durch die Straßen von Tuzak schritten, fühlte ich mich ungeschützt und verletzlich. Aber vorerst ging alles nach Plan. Die Straßen um uns waren wie ausgestorben. Die Stadt schien den Atem anzuhalten.

Am Tor zum Aufstieg zum Palast rannte der alte Veteran Gerrik nach vorne und überzeugte die Torwachen mit wenigen Worten uns einzulassen und anschließend die Flucht zu ergreifen. Der Palast selbst bot einen unheimlichen Anblick. Alle Fenster schienen sich in dunkle Löcher verwandelt zu haben. Erst innen erkannten wir, dass sie mit allen vorhandenen, Teppichen, Brokatvorhänge oder teure Wandgehänge, verhängt und vernagelt worden waren. Nur die spärlichen Fackeln boten ein flackerndes Licht.

Vor dem Haupthaus stellten sich die Sonnenlegionäre erst einmal in Formation auf. Als auf unsere Rufe niemand erschien um uns zu empfangen, schickte Rubald kurzerhand Gerrik und zwei Soldaten als Späher los. Alle drei drangen in das Haupthaus ein.
Kurze Zeit später ertönte ein grässlicher Schrei, als Gerrik in hohem Bogen durch das Fenster hinausgeschleudert wurde. Tot und entstellt blieb er auf dem Pflaster liegen.

Doch statt den Angriff zu befehlen, wartete Armando Laconda DaVanya geschlagene zehn lange Minuten ab, um mit dem Gong zur Praiosstunde mit dem Angriff zu beginnen. Firunja nutzte die Pause um noch kurze Liturgie über unsere kleine Gruppe zu sprechen, die unseren Mut und unsere Entschlossenheit stärkte.

Mit den Sonnenlegionären an der Spitze betraten wir die Haupthalle. Hier bot sich uns ein grauenerregender Anblick! Der Raum war von dämonischen Präsenzen geradezu überfüllt. An der Decke wirbelte ein grünlicher Nebel, der auf uns zu lauern schien. Die Treppe füllte sich kurz nach dem Betreten durch einen ersten Trupp Sonnenlegionäre mit einem Pandämonium und aus den Seitengängen stürzten dämonische Riesenhunde auf uns ein. Einer davon stellte sich vor mir plötzlich auf die Hinterbeine und drohte mir, mein Herz zu fressen. Das Vieh war schnell. Und wenn ich zuschlug, verformte es sich um meinen Hieben auszuweichen. Schließlich begnügte ich mich zu parieren und auszuweichen, bis sich bessere Nahkämpfer des Untieres annahmen.

Armando Laconda DaVanya trat all dem furchtlos entgegen und bannte mit dem strahlenden Licht des Praios und einer kurzen aber für einen so alten Mann überraschend mächtig vorgetragenen Liturgie den Dämon an der Decke. Sonnenlicht erhellte einen Augenblick den Saal und die Dämonen wichen einen Atemzug lang zurück. Dann stürmten sie wieder auf uns ein.

DeLinth benutzte den Pentagramma gegen das Pandämonium, während die Sonnenlegionäre anfangs erwarteten mit ihren Praiosgeweihten Waffen kurzen Prozess mit den Dämonenhunden machen zu können. Mahajin war einer der ersten, die sich den Untieren stellte. Zu seinem Entsetzen, prallte sein geweihtes Tuzakmesser einfach von dem Untier ab. Den Gegenangriff konnte er nur mit Mühe parieren. Schließlich wechselte er auf den durch Waffenbalsam magisch aufgeladenen Nachtwind den er als Alternativwaffe bei sich trug und erzeugte problemlos eine tiefe Wunde. Der Ruf nach magischen Waffen erfüllte den Raum und nach kurzer Zeit hatten wir uns der Gegner entledigt.

Zwischen den Schleimspuren am Boden und den Brandlöchern auf der Treppe, fanden sich jedoch bereits jetzt zahlreiche Gefallene. Kein guter Anfang. Vorsichtig stießen wir weiter durch die finsteren Gänge vor.

Gleich im nächsten Raum trafen wir auf die ersten menschlichen Gegner. Ein Trupp unter der Führung des uns bekannten Corporals Achsenbrecher, des jungen Mannes den wir aus dem Dschungelfort Retoglück der verrückten Reichstruppen gerettet hatten, versperrte uns den Weg. Der Corporal zögerte, weigerte sich aber standhaft seine Befehle zu missachten den Palast mit seinem Leben gegen die Eindringlinge zu verteidigen. Weder Rubald's herrische Befehle noch Firunjas vernünftiges Zureden erzielten einen Effekt. DeLinth und ich kamen schnell zu dem Schluss, dass er magisch beherrscht wurde. Der Gegenzauber, den DeLinth anwandte, verunsicherte den jungen Soldaten sichtlich weiter, brach aber nicht die Beherrschung. Die Soldaten in seinem Trupp waren sichtlich hin- und hergerissen. Schließlich stürmte einer unserer Elitesoldaten nach vorne und schlug den Corporal kurzerhand bewusstlos. Die Drachengardisten schlossen sich uns daraufhin an. Sie berichteten, die Gruppenführer und Offiziere seinen kurz vor unserem Auftauchen in eine Konferenz zum Fürsten bestellt worden. Anschließend hatte man sich auf Verteidigungsposition begeben.

Gleich im nächsten Raum wurden unsere Späher von Armbrustschützen empfangen und niedergeschossen. Zwei Mann mit Sturmschilden sicherten daraufhin den weiteren Vormarsch. Im nächsten Zimmer sahen wir die beiden gerade noch durch eine Tür fliehen. Als sie diese hinter sich schlossen, ertönte grässliches Geheul und Schmerzensrufe aus dem Raum.

Die Tür flog wieder auf und eine Horde Karmanthi kam uns entgegen. Bestimmt ein gutes Dutzend! Sumus Griff ignorierend rannten sie nicht nur über den Boden, sondern auch an der Wand und sogar an der Decke entlang auf uns zu. Der Anblick verunsicherte mich zutiefst. Diese Wesen widersetzten sich selbst den elementarsten Regeln der Realität!
Durch ihre ungewöhnliche Fortbewegung gelangten sie mitten in unsere Formation. Von allen Seiten sprangen uns Gegner an. In einem der wenigen Momente, in denen ich Zeit fand mich umzusehen, sah ich einen halb zerteilten Karmanthi wimmernd am Boden liegen, während der Dämon neben ihm Oberst von Jergan böse anknurrte. Doch dieser ließ sich von dieser hinterhältigen List nicht täuschen. In seinen langen Dienstjahren hatte er gelernt, dass ein Dämon weder Schmerzen noch Wunden spürt und voll einsatzfähig ist, solange er nicht in die Niederhöllen zurück getrieben wurde. Den sich verletzt stellenden Dämon erledigte er mit einem überraschenden Hieb zuerst, dann erst griff er den anderen an.

Um mich herum verschwanden Karmanthi in Dreiergruppen. DeLinth nutzte also den Bannring, den ich speziell gegen diese häufig eingesetzten Dämonen erschaffen hatte. Im Getümmel konnte er allerdings nicht verhindern, dass einmal ein Dämon entschworen wurde, der sich gerade in einen Sonnengardisten verbissen hatte. Der Ärmste wurde mit durch das Pentagramm gezogen und verschwand in die Niederhöllen. Nachdem die Reihen der Gegner genügend gelichtet waren, vernichteten wir die restlichen Dämonen daher im normalen Nahkampf. Besser tot als auf ewig in die Niederhöllen verdammt!

Salix erleichterte uns mit einigen Soldaten den Kampf, indem er den schweren Brokatvorhang vom Fenster riss um warmes Sonnenlicht herein zu lassen. Irgendwie geriet er dabei unter den Vorhang. Zusammen mit einem Karmanath!

Ich bekam nicht mit, wie er sich befreite, aber Rubald schien ihm zu Hilfe geeilt zu sein. Als ich ihn das nächste Mal sah, war er auch nicht sonderlich verletzt.

Nachdem ich mich meines Gegners entledigt hatte, sah ich am Fenster außen weitere Dämonen entlang hetzen. Eine Welle schien durch die Glasscheiben zu gehen. Den Stab fest in der Hand stellte ich mich in Bereitschaft. Wie erwartet explodierte die Scheibe plötzlich nach innen und eine Welle aus tödlichen Splittern fegte durch den Raum. Während sich rings um mich Soldaten panisch zu Boden warfen, blieb ich stehen und aktivierte den vorbereiteten Fortifex aus meinem Stabspeicher. An der unsichtbaren Wand prallte der Angriff wirkungslos ab.

Als ich mich selbstzufrieden umwandte, sah ich Firunja am Boden sitzen. Der Kopf hing nur nach an wenigen Sehnen, und doch schaute sie noch um sich. Vor den völlig entsetzten Blicken der Anwesenden, nestelte sie einen Heiltrank aus ihrem Gürtel und schüttete diesen teils in ihren Mund und teils direkt in den offen liegenden Hals. Langsam aber vollständig regenerierte das mächtige Elixier ihren Körper. Geschwächt und erschüttert stand sie auf. Selbst die umstehenden erfahrenen Soldaten waren von dem Anblick erschüttert, rissen sich aber schnell wieder zusammen und nahmen wieder den Kampf auf.

Thallian köpfte die letzte Bestie während diese schon auf ihm lag mit einem schier unmöglichen Manöver. Blut spritzte in Fontänen über seinen Körper, bis der Dämon sich dann endgültig auflöste.

Der Vormarsch durch das Gebäude wurde zu einem einzigen endlos erscheinenden Alptraum. In fast jedem Gang wurden wir von Dämonen oder verzweifelten Gardisten angegriffen. Anfangs gelang es noch einige der Drachengardisten zur Übergabe zu bewegen, vor allem nachdem wir die jeweiligen Offiziere ausgeschaltet hatten, aber die Liliengarde blieb wie erwartet treu zum Fürsten. Immer öfter trafen wir auf marodierende Dämonen und die Verteidiger wurden zusehends paranoider. Einige waren gar schon dem Wahnsinn anheim gefallen. Nach kaum einer Stunde trafen wir nur noch auf Verteidigungsstellungen, die sich gegen alles und jeden wehrten was sich näherte. Einige der Stellungen konnten wir umgehen, andere mussten wir auslöschen. Viele wurden auch von den allgegenwärtigen Dämonen überrannt, gegen die sie ohne geweihte oder magische Waffen nichts ausrichten konnten.

In einem Raum trafen wir einen verwundeten Diener, der unter einem umgestürzten Tisch eingeklemmt war. Inzwischen vollständig Misstrauisch verhörten wir ihn. Er wollte von uns aus der Festung geführt werden, aber dafür waren wir schon viel zu weit gekommen. Er hatte daher nur die Wahl durch das Fenster zu flüchten oder uns zu begleiten. Was aus ihm geworden ist weiß ich nicht. Da er sich weigerte aus dem Fenster zu klettern und nach einem der nächsten Kämpfe nicht mehr zu sehen war wird er wohl nicht überlebt haben.

Während wir noch überlegten, in welche Richtung wir weiter vorstoßen sollten, hörten wir plötzlich Kampfgeräusche und Schreie von unserer Nachhut. Als wir zum Gang zurück spurteten, sahen wir, dass die Sonnenlegionäre von einem ganzen Schwarm von fuchsgroßen schwarzen Dämonen-Frettchen angefallen wurden. Vor meinen Augen fraß einer sich wie rasend in den Arm eines Sonnenlegionärs und verkrüppelte ihn bevor wir das Biest vernichten konnten. Aber es waren einfach zu viele. Sie waren zu schnell, klein und trotzdem ungeheuer tödlich! Einer der Gardisten opferte sich, um den Gang gerade lange genug zu halten bis seine Gefährten zu uns durch die Türe flüchten konnten. Sofort verrammelten wir diese mit Möbeln und zogen uns weiter zurück.

Im nächsten Gang wurden wir gerade noch Zeuge, wie ein Drachengardist einen der Liliengardisten niederstach. Als er uns kommen hörte, drehte er sich hektisch um und atmete dann erleichtert ein: „Das ist der letzte der Verräter!“ sagte er „die anderen haben wir bereits eliminiert. Wenn ihr mir folgt kann ich euch auf dem kürzesten Weg zum Fürsten bringen.“ Er wirkte sehr überzeugend, aber irgendetwas kam mir nicht richtig vor. Während meine Gefährten ihn befragten, wirkte ich einen Sensibar um seine Gefühle zu erforschen. Wut und Hass gegen die andere Seite, sowie ehrliche Überzeugung für das richtige zu kämpfen erfüllten seinen Geist. Leider war dies immer noch zwiespältig. Erst als ich ihn direkt ansprach, konnte ich spüren, dass sich sein Hass gegen uns richtete!
Zeitgleich hatte Firunja ihn wohl mit Hilfe ihres Zeichens durchschaut. Unsere Warnrufe erklangen fast synchron.

Der Gardist reagierte sofort. Die sterbliche Hülle zerfloss in niederhöllischen Schleim und eine eklige Made mit unmöglich langen Tentakeln sprang daraus hervor. Als sie einen Schrei ausstieß, wurde es im Raum schlagartig finster, da die Türen zu dem Licht erfüllten Nebenraum knallend zufielen. Das Geräusch von schweren Möbeln die davor aufgeschichtet wurden war deutlich zu hören. Gleichzeitig warf er einen neben ihm stehenden Fackelhalter auf einen großen Haufen an Möbelstücken, der bisher unbeachtet in der Mitte des Raumes lag. Schlagartig explodierte der Haufen, in dem wohl Fässer mit brennbarer Flüssigkeit versteckt waren. Brennendes Öl verteilte sich im Raum und ließ den Teppich aufflammen. Mit Reflexen die mich selber überraschten, wirbelte ich den Flammen aus dem Weg und drückte mich an eine sichere Wand.

Weitere Maden-Dämonen erschienen aus Verstecken und griffen uns an. Die Luft füllte sich mit Rauch und das flackernde Licht des Feuers ließ alles noch unwirklicher erscheinen. Ein Alptraum aus der Hölle! Tentakel die unmöglich in den winzigen Madenkörpern untergebracht werden konnten, schossen auf unmögliche Länge heraus und schlugen tiefe Wunden. Kam man näher heran, sprühten uns die Wesen grün leuchtende ätzende Säure entgegen die sich noch längere Zeit immer tiefer in die Haut brannte. Die Sonnenlegionäre stimmten einen Choral an und nahmen den Kampf auf. Meine Gefährten kämpften stumm aber umso verbissener. Ich zog Seite an Seite mit DeLinth mein Flammenschwert und verteidigte mich. Meine wenigen Gegenangriffe blieben fast wirkungslos, so dass ich mich bald löste und mir eine sinnvollere Aufgabe suchte. Thallian und Mahajin wirbelten Seite an Seite durch den Raum und beachteten weder Feuer noch Rauch. Ihre mächtigen Schwerter erledigten genügend Gegner, so dass sich einige Legionäre vom Kampf lösen konnten. Die Luft wurde immer dicker, bald würde es nur noch eine Frage der Zeit sein, ob wir zuerst verbrennen oder ersticken würden. Die Sonnenlegionäre versuchten die Türe frei zu bekommen, aber die Falle war gut vorbereitet gewesen.

Schnell zog ich den mit Applikatus versehenen Talisman aus seiner Tasche und richtete ihn auf die nächste Tür. „Zerberste!“ rief ich den Auslöser und eine Welle aus Magie zog durch den Raum. Eine der Maden warf sich blitzschnell in den Kegel und zog einen Schatten in den Wirkungsbereich. Die Wirkung fiel daher überraschend schwach aus, aber als noch zwei Legionäre gleichzeitig gegen die geschwächte Tür rannten, flog sie splitternd in Stücke. Der Weg war frei!

Abgelenkt hatte ich den Dämon nicht bemerkt, der nun auf mich zu wirbelte. Kurz bevor er mich von meinen Gefährten abdrängen konnte, stürmte aber Rubald an mir vorbei, warf mich im rennen wie eine Puppe über seine Schulter und transportierte mich durch die Flammen springend aus dem Raum. Hinter uns warfen meine Gefährten sofort die Reste der Tür zu und kippten einen riesigen Mohagoni-Schrank davor. Fürs erste würde das halten.

Schnell aber immer noch geordnet stürmten wir weiter. Korridor um Korridor erkämpften wir. Zahlreiche Dämonen wurden von Armando Laconda DaVanya mit Liturgien gebannt und vernichtet. Bald war er aber sichtlich am Ende seiner gottgegebenen Kräfte. Seine vier verbliebenen Sonnenlegionäre wechselten sich ab ihn zu stützen und konzentrierten sich darauf ihn zu verteidigen.

Als wir zur Abwechslung einen gegnerlosen Gang betraten, atmeten wir alle erleichtert auf und durchquerten ihn in dichter Formation. Warnrufe erklangen, als einige meiner Gefährten sich plötzlich alarmiert umblickten. Einen Atemzug standen alle totenstill. Alles blickte sich nervös um. Nichts zu sehen. Nichts zu hören. Als wir dachten, wir hätten uns wohl getäuscht, brachen die Niederhöllen aus allen Richtungen auf uns herein. Gallertartige Würfel mit einem Horn und einem Stielauge brauchen aus Boden, Wänden und der Decke. Einer der Soldaten stellte sich und wurde vor unseren Augen von plötzlich ausgebildeten Tentakeln ergriffen und in der Luft in Stücke gerissen. DeLinth erkannte sie. Das waren Je-Chrizlayk-Ura, die kleineren und wilderen Versionen des Dharai. Fast ebenso stark, aber viel schneller und wilder als ihr für Lasttransporte beschworener „Verwandter“. Salix entfernte, seine beiden Waffen wie eine Schere nutzend, das Stielauge eines der Monstren. Natürlich bildete sich sofort ein neues aus der Masse heraus, aber in den beiden Herzschlägen in denen das Wesen blind war, konnten Mahajin von rechts und Thallian von Links mit aller Macht zuschlagen. Rubald stürmte mit lanzenartig vor sich gestrecktem Sklaventod in die Mitte. Das Wesen verging in faulige Schlacke. Der Weg zur Türe war frei. Eine kleine verzweifelte Einheit vermutlich längst wahnsinnig gewordener Liliengardisten, die sich im Nebenraum verschanzt hatten, rannten wir einfach über den Haufen.

Knirschen und Knacken ertönte ein weiteres Mal. Hatten die Eingehörnten uns eingeholt? Wir bemerkten ein erneutes schweres Gepolter, dann stürzte schon wieder die Decke auf uns herab. Mit einer enormen Kraftanstrengung warfen wir uns vorwärts um den Trümmern zu entgehen. Einer der Soldaten wurde zerquetscht, der Rest entkam. Um mich blickend erkannte ich aber sofort, dass einer von uns fehlte. Mahajin, der unseren Rückzug nach hinten sicherte, hatte sich zurück werfen müssen und war nun von uns abgeschnitten. Er rief uns zu er würde versuchen sich auf Umwegen zu uns durchzuschlagen und entfernte sich. Ich rechnete damals nicht damit ihn je wieder zu sehen.

Unser Weg führte uns in einen großen Audienzsaal. Wie man an der Qualität der Teppiche und Einrichtungsgegenstände deutlich erkennen konnte, näherten wir uns langsam den Räumlichkeiten des Fürsten. Mein Herz als Sohn eines Teppichhändlers schmerzte als ich sah, welch teure Knüpfarbeiten man hier als notdürftigen Sonnenschutz an die Fenster genagelt hatte. Selemer Kreuzmuster, 37 Dukaten der Rechtschritt, alanfanische Habib Teppiche, 12 Dukaten der Rechtschritt und maraskanische Vielfarben-Faserteppiche, trotz minderwertiger Verarbeitung immerhin 7 Dukaten der Rechtschritt. Als unsere Soldaten wie bisher auch damit begannen diese grob mit Schwerthieben und zerren zu entfernen, um Sonnenlicht in den Gang zu lassen, blutete mir das Herz. Als ich dies dachte, glaubte ich das Blut regelrecht zu riechen. Erst als mein Fuß sich mit einem schmatzenden Geräusch aus dem dicken Bodenteppich löste, bemerkte ich die Herkunft des Geruches. Der Teppich war mit Blut getränkt. Bevor ich den Grund erkennen konnte, schwebten erste Tropfen aus dem Teppich nach oben. Erst eine feine Gischt, dann zahlreiche Fontänen die sich zu altbekannten Gestalten formten. Schwarze Kuttenträger mit Schwert und Peitsche. Heshthotim! Rubald hob die Klinge bis er die Decke fast erreichte: „Es sind nur Heshthots! Macht sie nieder!“
Bevor er seine Aufforderung jedoch selbst in die Tat umsetzen konnte, wirbelten zwei Gruppen von Heshthotim plötzlich wirr durcheinander. Aus der Masse formten sich zwei riesige Heshthots. Hoch bis zur Decke, immer noch mit einer bösartigen Peitsche und einem klagend durch die Luft heulenden Schwert bewaffnet.

Ein Gefühl des Hasses erfüllte den Raum, und eine finstere Stimme ertönte wie aus der Tiefe eines Grabes: „Sterbliche, ihr werdet LEIDEN!“

Von hinter mir hörte ich jemanden rufen: „Größer sind sie nur leichter zu treffen!“. Dies löste den Bann. In zwei Gruppen stürmten wir auf die Gegner ein. Das riesige Schwert sauste in weitem Bogen durch den Raum und schleuderte uns zu viert zu Boden. Rubald parierte den Angriff als er zu ihm kam, dann erwiderte er mit weit ausholenden Hieben. Wieder und wieder sauste das Schwert durch den Raum. Dazwischen knallte die Peitsche. Über uns erschien die Illusion eines Pentagrammes an der Decke. Ich gab meine sinnlosen Versuche den Dämon mit meinem Stab zu verletzen schnell auf und schützte stattdessen DeLinth, der mit starrem Blick den Pentagramma skandierte. Zweimal knallte ihm die Peitsche über den Körper, als ich vergeblich versuchte für uns beide zu parieren. Keine Miene verzog er trotz der sicherlich höllischen Schmerzen. Dann blitzte das Pentagramm auf und der Dämon verschwand heulend zurück in die Niederhöllen.

Der andere Riesen-Heshthot wich scheinbar in den Limbus aus, so dünn wurde seine Materie. DeLinth nutzte einen vorbereiteten Wurfstern mit Applikatus Limbus versiegeln. Der Dämon fing das Geschoss und fraß es ohne negative Auswirkungen. Auch der trotz allem ausgelöste Zauber schien ihn nicht zu behindern.
Thallian hatte sich inzwischen an die Beweglichkeit des Dämons angepasst. Mit einigen mächtigen Hieben fällte er ihn wie einen Baum. In einer schwarzen Rauchwolke verschwand er. Sein niederhöllisches Schwert fiel zu Boden, ebenso wie seine Peitsche. Thallian starrte einen Moment misstrauisch auf das Schwert. Gleich kam Leben in die unbeobachtete Peitsche und sie schlängelte sich wie eine Schlange auf mich zu um mich zu beißen. Doch bevor sie mich erreichen konnte, lösten sich auch die Waffen in schwarzen Rauch auf, um ihrem Herrn zu folgen.

Als wir durch die Tür in den nächsten Raum stürmten, rechneten wir schon mit dem nächsten Angriff. Zu unserer angenehmen Überraschung, trafen wir stattdessen auf Mahajin, Armando und die vier verbliebenen Sonnenlegionäre und weitere die vier letzten Krieger der Blutroten Raben. Etwas weiter entfernt war ebenfalls Schlachtlärm zu hören. Unsere Verbündeten hatten offensichtlich aufgeschlossen und zogen einen Teil der Gegner auf sich.

Mit neu gewonnenem Mut ließen wir einen Kampfschrei ertönen und nahmen uns den nächsten Gang vor. Und dann weiter, einen Raum nach dem anderen. Schwärme schwarzer Wiesel, Gruppen von Zants, säurestrotzende Sordul und Horden weiterer „normaler“ Heshthotim. Alles fiel unter unserer Wut. Zeit verging. Und längst war der letzte Heiltrank oder Zaubertrank getrunken und alle mit Applikatus vorbereiten Zauber aufgebraucht. Ich kann nicht sagen ob es Stunden oder Tage waren, die wir kämpften. Da wir noch keinen Hunger und kaum Durst spürten, kann es nicht so lange gewesen sein wie es schien. Außer den Mitgliedern unseres Trupps sahen wir keinen lebenden Menschen mehr. Was sich an Gardisten noch im Gebäude aufgehalten hatte, war inzwischen von den zahlreichen Dämonen gefressen oder zerrissen worden. Schon lange hatten wir auch keine Verbündeten mehr gesehen oder gehört.
 
Endlich erkannten wir, dass wir den inneren Palast erreicht hatten. Vorsichtig pirschten wir durch einen prächtigen breiten Gang. Vermutlich das Vorzimmer zum Thronsaal. Diesmal nahmen wir uns vor vorsichtig und geordnet einzudringen. Es blieb allerdings bei der guten Absicht, denn plötzlich wirbelten hinter uns Tentakel und Mäuler aus Wänden, Boden und Decke. Ein Pandämonium breitete sich rasend schnell hinter uns aus und so hetzten wir blindlings vorwärts durch das unverschlossene Tor.

Wir kamen im riesigen Thronsaal zum stehen. Das Tor schloss sich hinter uns mit einem endgültig klingenden Schnappen. Bevor wir reagieren konnten, kroch eine lähmende Kälte durch meinen Körper. Meine Gefährten um mich herum erstarrten ebenfalls. Ein mächtiger Wille verbat uns jede Bewegung. Auch ich konnte mich nicht wehren, wollte mich gar nicht wehren. Aber eine kleine leise Stimme protestierte. Immer lauter ertönte sie in meinem Geist in uraltem  Tulamidya: "ER ist da. Ich spüre IHN. Hüte Dich!"

Ein hysterisches Gelächter erfüllte den Raum. Auf seinem Thron zusammengekauert saß Fürst Herdin. Unheilbarer Wahnsinn strahlte aus seinen wirren Augen. Dies sollte die finstere Macht hinter der Unterdrückung Maraskans sein? Wohl kaum. Mein Blick wurde wie magisch von der einzigen weiteren fremden Person im Raum angezogen. Kommissar Delian von Wiedbrück, Sicherheitsberater des Fürsten und hoher Kommissar der KGIA wandte uns den Rücken zu. Mit einer leisen und doch den Saal bis zur letzten Ecke füllenden Stimme hielt er einen Monolog. Dabei hielt er ein schwarzes Taschentuch in den hinter dem Rücken gefalteten Händen. Irgendein blutrotes Symbol war darauf eingestickt.

Er redete weiter, doch ich konnte nur die Stimme in meinem Kopf hören, die immer lauter wurde. Armando Laconda DaVanya erwiderte etwas. Weder seine Forderungen noch Wiedbrück's Antwort nahm ich wahr. Etwas an seinen Händen stimmte nicht, zog meinen Blick an. Die Stimme meines Rubinauges füllte meinen Verstand  aus: „Lass Dich nicht täuschen! Die Hände! Schau Dir die Hände an! ER ist es. Ich erkenne IHN! Vor mir konnte ER sich nie verbergen. Ich kenne IHN…"

Wie ein Blick auf das berühmte Bild im Hesindetempel von Khunchom, das entweder eine Vase oder zwei küssende Gesichter zeigt, änderte sich nicht das Bild. Nur meine Wahrnehmung änderte sich. Und plötzlich erkannte ich, was mich unterbewusst bereits die ganze Zeit gestört hatte. Die Finger! ER hatte sechs Finger an jeder Hand! Und ich erinnerte mich. Damals, als ER aus dem Kesser der Urgewalten stieg. Damals, als Pardona IHM einen neuen Körper verschafft hatte. Schon damals hatte ER ihn vor uns verborgen. Den Makel seines Körpers. Den sechsten Finger an jeder Hand! Das Stigma seiner echsischen Herkunft!

Unbändige Wut erfüllte meinen Geist und überwand die Lähmung. Ich trat vor und Worte kamen über meine Lippen, die nicht die meinen waren: "DA BIST DU ALSO ASSARBAD, ICH HABE DICH GEFUNDEN UND MEIN ZORN WIRD DICH VERNICHTEN!"

Zum ersten Mal kam Regung in das bisher emotionslose Gesicht des Kommissars. Vages Interesse keimte auf als er mich anblickte: "Kennen wir uns? Deine Stimme kommt mir irgendwie bekannt vor. Mich würde interessieren wie Du mich erkannt hast. Aber das spielt eigentlich keine Rolle. Ich werde den Verlust verschmerzen und mich nach Alternativen umsehen."
Risse überzogen seinen Leib aus denen rotes Licht hervor glühte. Seine Haut, seine Haare, alles löste sich von seinem wahren Körper. Und aus der vergehenden Hülle von Delian von Wiedbrück, trat der Dämonenmeister: Borbarad.

Ich trat einen weiteren Schritt auf ihn zu: ""ICH BIN ABDUL IBN MUSTAFA IBN AL'HAZRED, DEIN EHEMALIGER DIENER AUS ZHAMORRAH UND DU WIRST FÜR DEINEN VERRAT BEZAHLEN!"

Ein mächtiger rubinroter Blitz schoss aus meinem Auge. Wie damals, als mich der Parder im Dschungel anfiel, benutze das Auge seine offensiven Fähigkeiten von sich aus. Und wie damals erschütterte die brutale Gewalt des Zaubers meinen Geist. Ich verlor einen Moment das Bewusstsein. Noch im Fallen konnte ich jedoch sehen, wie „von Wiedbrück“ den Strahl aus der Luft pflückte und lässig auf einen der immer noch regungslosen Sonnenlegionäre umlenkte.

Als ich wenig später wieder zu mir kam, erinnerte nur noch ein Brandfleck und der Geruch nach verbranntem Fleisch an den furchtlosen Kämpfer. Um mich herum hatten meine Gefährten derweil die Lähmung abgeschüttelt. Entweder hatte Borbarad sie frei gelassen, oder die Enthüllung seiner Identität hatte den Zauber gebrochen. Außerdem sah ich Ucurian Jago und fast zwei Dutzend unserer Kämpfer, die allerdings vom Kampf durch die Gänge bereits schwer gezeichnet waren.

Er selbst stand am Ende des Saales. Vor ihm steckte ein rot leuchtender und reich mit Runen verzierter Stab aus Blutulmenholz im Boden. Grünschwarze Geister durchzogen die Luft und verbreiteten Furcht und Entsetzen. Am schlimmsten jedoch waren die vier Shruufya die uns den Weg zum Dämonenmeister versperrten. Doch es waren keine gewöhnlichen Shruufya! Während wir schon mehr als eine dieser Bestien besiegt hatten, standen wir hier einer wesentlich härteren Herausforderung gegenüber. Ihre Tentakel bewegten sich mit unglaublicher Geschwindigkeit. So schnell, dass das Auge ihnen kaum folgen konnte! Neben mir kämpften Rubald und DeLinth. Meinen Stab fest in die Hand nehmend, stürmte ich vorwärts. Zu dritt versuchten wir einer der Bestien bei zu kommen, doch die wenigen Wunden die wir schlugen, schlossen sich vor unseren Augen. Und viele unserer Angriffe wurden von den blitzschnell wirbelnden Tentakeln abgewehrt. Ich versuchte ihn mit einem Fortifex in die Enge zu drängen, lernte jedoch bei dieser Gelegenheit, dass der Zauber einen Dämon nicht im Geringsten aufhalten kann.

Eben wollte ich den wie üblich vorbereiteten Attributo aus meinem Stabspeicher aktivieren, um noch etwas härter zuschlagen zu können, als mir eine bessere Idee kam. Ich berührte  Rubald leicht von hinten mit dem ausgestreckten Stab und lies IHN in den Genuss erhöhter Körperkraft kommen. DeLinth begriff sofort was ich vor hatte und legte seinerseits einen Axxeleratus auf den Krieger. Unsere Waffen konnten den Dämon nicht wirklich verletzen, nun sollte Rubald unsere Waffe sein. Wir mochten gegen den Dämon nichts ausrichten können, aber der hünenhafte Krieger mit dem riesigen Sklaventod, der nun über die Stärke eines Ogers und die Geschwindigkeit eines Parders verfügte, er konnte es. Blitzschnelle Zweihandhiebe durchbrachen die Abwehr und rissen tiefe Wunden. Aufheulend schrie der Dämon um Gnade, bevor er in die Niederhöllen verschwand.

Während ich noch über das ungewohnte Verhalten des Dämons grübelte, stürmte DeLinth bereits vor. "Der Stab! Wir müssen den Stab entfernen!"
Bevor ich ihm folgen konnte, schlossen die übrigen Shruufya ihre Schlachtreihe.

Borbarad hob nur gleichgültig die Hand: "Bann des Erzes!"
Eine Welle aus Magie durchfuhr den Raum. Ich spürte meinen Armatrutz vergehen. Der nutzlose Fortifex verschwand. Mir war klar, dass alle Zauber des Elementes Erz ihre Wirkung verloren haben mussten. Das Waffenbalsam, der Adamantium. Alles gebannt auf einem Schlag!

DeLinth wurde von der Welle der Magie zurück geschleudert, rappelte sich aber sofort wieder auf. Der Shruuf, der ihm am nächsten stand, begann sich ihm zu zu wenden. Ohne den Schutz des Armatrutz würde er meinen Freund zerfetzen!

Meine Gefährten wollten während dessen natürlich ebenfalls zu ihm stoßen, doch die Abwehr der Shruufya war undurchdringlich. Plötzlich wurde Thallian von einem Tentakel getroffen und von der Wucht des Aufpralls meterweit zurück geschleudert. Benommen blieb er einen Augenblick an der Wand liegen, die seinen Flug unsanft gebremst hatte. Dann jedoch färbten sich seine Augen in ein widerliches Gelb. Die Pupillen verformten sich zu hinterhältigen Schlitzen und seine Haut überzog sich mit abscheulichen  grünen Schuppen. Und er sprang auf, so als ob er keine Schmerzen mehr spüren würde und hob das Schwert hoch über seinen Kopf, doch er schien einen Moment unentschlossen.
Dann verzerrte Zorn sein Gesicht und mit einem echsischen Zischlaut stürmte er auf den Dämon ein, der dieser Wildheit nichts entgegen zu setzen hatte. Tentakelstücke flogen umher, blaurotes Blut spritzte in Fontänen durch den Raum. Der Dämon verschwand! Ohne zu zögern stürzte sich Thallian auf den nächsten Gegner, den Mahajin und Rubald in der Zwischenzeit beschäftigt hatten.

Ich warf einen Blick auf das Hindernis aus den wirbelnden Tentakeln der verbliebenen Shruufya, das mir den Weg zum Stab versperrte. Zwischen den Dämonen und den wirbelnden Zweihändern meiner Gefährten war kein Durchkommen. Doch DeLinth konnte sich dort unmöglich alleine halten! Neben ihm bildete sich in der Luft bereits das Schimmern, das die Ankunft eines weiteren Shruuf ankündigte. Ich musste zu ihm! Doch noch wurde der Weg von den Kämpfern und Ihren Gegnern versperrt.

Hesinde sei Dank, fiel mir das Einweg-Artefakt ein, dass ich bereits auf der ganzen Reise mit mir herum trug. "Möge der Fluss der Zeit sich meinem Willen beugen!" rief ich die Aktivierungsformel. Mit einem leisen Klirren zersprang der fokussierende Diamant auf der Arkaniummünze und lies seine Kristallenergie in den Zauber fließen. Der Tempus Stasis begann zu wirken. Um mich herum erstarrten sowohl meine Freunde, wie auch die peitschenden Dämonen. Geschickt zwängte ich mich zwischen den unbeweglichen Hindernissen hindurch, um zu dem Stab zu gelangen. Kletterte über unbewegliche Tentakel und zwischen den erhobenen Schwertern hindurch.
Doch was war das? Ich wurde langsamer. Als müsste ich mich durch zähen Gelee kämpfen. Was konnte das sein? Noch nie hatte mich während eines Tempus Stasis irgendetwas beeinflussen können. Als ich aufblickte, sah ich durch den Raum in die Augen meines Feindes. Borbarad wurde durch die Zeitmagie nicht beeinflusst! Er starrte mich interessiert an, schien mich mit seinem bloßen Willen bremsen zu wollen. Vergeblich!
ER würde mich nicht aufhalten. ER nicht! Tief in meinem Kopf hörte ich die nur mir bekannte Stimme zu mir sprechen. "Widerstehe! Du kannst ihn besiegen. ER hat keine Macht über Dich, die Du IHM nicht gewährest. Besiege IHN! ERSETZE IHN AUF SEINEM BLUTROTEN THRON!"

Ich kam beim Stab an, bevor der Zauber seine Wirkung verlor und die Dämonen wider zu alter Wildheit erwachten. DeLinth blinzelte zwar kurz erstaunt ob meines überraschenden Auftauchens, rief dann aber geistesgegenwärtig: "Auf Drei! Eins… Zwei… "

Von hinten kam ein Keuchen wie von einem wütenden Stier. Rubald hatte eine Lücke zwischen den Shruufya gefunden und donnerte auf uns zu. In dem Moment, in dem wir beide zugriffen, rannte er aus vollem Lauf gegen uns und den Stab und brüllte: „DREI!!!“

Dies genügte den Stab aus dem Boden zu lösen. Aufheulend wirbelten die Shruufya, die sich eben noch auf uns stürzen wollten, herum. Direkt auf den Dämonenmeister zu! Ohne den Fokus seiner Macht hatte er die Kontrolle verloren. Unbeeindruckt hob er eine Hand und schnippte einmal scharf mit den Fingern. Die Dämonen schienen sich einen Augenblick ineinander zu falten, dann verschwanden sie.

Borbarad blickte uns nur an, keine Regung war auf seinem Gesicht zu erkennen und zog dann mit dem Zeigefinger eine Linie senkrecht vor sich durch den Raum. Die Realität öffnete sich vor ihm, um dem wabernden Nichts des Limbus Platz zu machen. Gelassen trat er einen Schritt vor und verschwand durch das sich sofort hinter ihm schließende planastrale Portal.

Das einzige was zurück blieb, war ein nachtschwarzes Seidentuch mit einem mir unbekannten Symbol. Ein blutroter Kreis mit sieben Zacken und einem kleinen roten Punkt in der Mitte.

DeLinth winkte mir sofort auffordernd zu: „Schnell! Ein Limbus Portal! Er darf nicht entkommen!“

Ich winkte nur müde ab. Soviel Kraft hatte ich schon lange nicht mehr. Und selbst wenn wir den Dämonenmeister eingeholt hätten, waren wir beide momentan sicher nicht in der Lage ihn zu besiegen. Ob wir das überhaupt je sein würden?

Erschöpft, aber siegreich schleppten wir uns aus dem Palast. Von den einstmals über Hundert Sonnenlegionären, Bannstrahlern und Blutroten Raben, waren gerade mal zwei Handvoll noch am Leben. Und keiner davon unverletzt. Hinter uns zurück ließen wir die Trümmer des einstmals prächtigen Weißen Palastes.

Noch vor der Abschlussbesprechung, während andere noch dabei waren ihre Wunden zu verbinden, stürzten DeLinth und ich uns auf die Analyse des eroberten Stabes. Blutulmenholz, mit zahlreichen leuchtenden Runen verziert. Berührte man den Stab, so leuchteten sie blutrot auf.
Hier erlebten wir allerdings eine Überraschung. Der Stab widerstand allen Analysen. Ob Odem, Oculus oder Analys. Alleine oder im Unitatio, all meine Tricks und Kniffe und alle Sturheit von DeLinth brachten dasselbe Ergebnis: „Ein völlig unmagischer Stock.“
Das Leuchten und Flackern der Runen schien uns zu verspotten.

Natürlich gab es dafür eine mögliche Erklärung. Sakrale Gegenstände die mit der karmalen Kraft der Götter, anstatt der astralen Kraft der Magie erfüllt sind, entziehen sich jeder magischen Analyse. Doch dies hätte Borbarad in die Reihen der Götter eingereiht und das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! Auf dem Rückweg würden wir Spektabilität Khadil Okarim zu Rate ziehen. Und wenn auch seine Kunst versagte, blieb nur noch eine Walfahrt zum höchsten Hochgeweihten der Hesinde. Vielleicht konnte Göttliche Macht den sicherlich vorhandenen Aurarcana Deleatur Cantus durchdringen.