Aus dem Tagebuch des Magiers Torben ibn Abdul ibn Alhazred:
07. Efferd 26 Hal
An einer kleinen Bucht, nahe Tuzak, Maraskan
Die letzten Sonnenstrahlen berührten die
Wasseroberfläche durch einen unheilverkündend
Wolken verhangenen Himmel.
Gespannt warteten wir an der vereinbarten Bucht auf die Ankunft der
angekündigten, aber nicht näher spezifizierten,
Verstärkung.
Was würde auftauchen? Eine Schaluppe mit ein paar
notdürftig zusammengetrommelten Söldnern? Eine Armada
mit der halben garethischen Armee? Oder irgendetwas dazwischen?
Unsere Wildniskundigen hatten die Umgebung nun zum zweiten Mal
abgesucht, aber keine fremden Beobachter gefunden.
Endlich tauchte ein schnell näher kommendes Segel am Horizont
auf. Die untergehende Sonne tauchte die Segel in ein blutrotes Licht.
Salix und ich grinsten uns an. Das Schiff kannten wir! Die "Seeadler
von Beilunk". Das war schon mal kein schlechtes Zeichen. Eine Weile
hielten wir noch nach weiteren Schiffen Ausschau, aber vergeblich. Nun,
was immer die an Bord hatten, würde wohl reichen
müssen.
Elegant segelte das Schiff in die Bucht und ließ Anker zu
Wasser. Als erstes sahen wir eine alt bekannte Gestalt am Bug der
Trireme stehen. Kaum berührte der Kiel das sandige Ufer,
sprang sie auch schon mit lässiger Eleganz über die
Reling und stampfte die letzten Schritte zu uns. Eine Gestalt wie aus
alten Kriegerlegenden. In seine glänzende Garether Platte
gehüllt, die seinem muskulösen Oberkörper
perfekt angepasst worden war, und mit den passenden vergoldeten Arm-
und Beinschienen, schritt uns breit grinsend Oberst Rubald von Jergan
entgegen. Veteran der Ogerschlacht und des Orkkrieges.
Anführer der Blutroten Raben von Armida und aktuell
Führer der persönlichen Leibgarde von
Reichsbehüter Brin.
Während wir ihn noch freudig begrüßten,
kamen weitere Gestalten in Sicht die noch abwarteten, bis eine Planke
zum Ufer gelegt war. Das Licht gleißte auf weißen
Uniformen und goldenen Verzierungen der Praios-Kirche. Der
Erwählte Ucurian Jago und der uralte Inquisitor Armando
Laconda DaVanya. Beide wären uns zu anderen Zeiten vermutlich
nicht gerade willkommen gewesen, aber hier und heute konnten wir uns
kaum bessere Verbündete gegen die Finsternis vorstellen. Wenn
sich jemand Dämonen in den Weg stellen konnte, dann diese
Günstlinge des Sonnengottes.
Rubald hatte 10 Elitekrieger zusammengetrommelt und brachte
außerdem 64 Sonnenlegionäre und 12 Ritter des Ordens
vom Heiligen Bannstrahl Praios mit. Die Sonnenlegionäre wurden
von Hauptman Praiodan von Gareth angeführt. Außerdem
waren Commandanta Katalinya Adranez vom Orden des Schwarzen Raben von
AlAnfa und der Golgarit Gernot von Mersingen an Bord. Wir kannten beide
aus Punin, als uns der Rabe von Punin den Auftrag gab auf diese
götterverfluchte Insel zu reisen.
Während wir noch dabei waren die hohen Gäste zu
begrüßen, ertönte plötzlich lautes
Vogelgeschrei aus einem Gebüsch am Waldrand. Als wir uns
umdrehten, sahen wir ein knappes Dutzend Raben auf ein
Gebüsch, oder besser auf etwas in dem Gebüsch
verstecktes, einhacken und aufgeregt Krächzen. Raben, die
heiligen Vögel Borons. Das konnte nur ein Zeichen sein! Wie
ein Mann ertönte aus vielen Kehlen der Ruf: "Ein Spion!
Ergreift ihn!".
Der erste Soldat der sich dem Gebüsch näherte konnte
seinen großen Schild gerade noch rechtzeitig
hochreißen, um einen ganzen Schwarm Wurfsterne abzufangen.
Dann rannte jemand durch das Unterholz davon.
Für einen so großen Mann unerwartet schnell, hetzte
Rubald los und umrundete einen langsameren Soldaten. Dadurch geriet er
allerdings in die Flugbahn von Firunjas erstem Pfeil, der sich durch
seine Panzerung hindurch in seine Schulter bohrte. Wütend
bremste er ab, drehte sich um und setzte zu einer wütenden
Schimpftirade an. Als er aber in Firunjas schuldbewusstes Gesicht sah,
glitt sein Blick einen Moment anerkennend weiter nach unten bevor er
meinte: "Ach was soll’s. Nix ernstes passiert. Passt
nächstes Mal halt besser auf."
In wilder Hatz verfolgten wir den Unbekannten, der versuchte sich
abzusetzen. Als wir schon glaubten ihn eingekreist zu haben,
hörte ich ihn Worte in einer alten verbotenen Sprache rufen.
Nur ein Wort davon konnte ich verstehen: "Nuntiovolo". Die
Beschwörung eines dämonischen Botenvogels! Viel zu
weit entfernt um selber eingreifen zu können, rief ich meinen
zuerst verwirrten Freunden zu, den Vogel sofort abzuschießen.
Als aus der Richtung des Spions ein vage vogelähnliches,
zerrupftes Etwas davon schoss, klickten die Armbrüste und
zischten Wurfmesser durch die Luft. Dem ersten Geschosshagel konnte der
Botenvogel entkommen, dann jedoch traf ihn ein Flammenstrahl von
DeLinth, der ihn in der Luft in Asche verwandelte, die sich noch im
herabfallen auflöste. Der Spion wurde derweil schnell und
effektiv erledigt.
Unsere Anlandung sollte damit wohl weiter geheim bleiben.
Im Boron Tempel erfolgte dann eine kurze Lagebesprechung. Rubald hatte
Pläne des Herrscherpalastes mitgebracht, die er an uns und
alle Gruppenführer verteilte.
Er erwähnte kurz, dass die KGIA, aus ihm ebenfalls unbekannten
Gründen, gerade Kopf stehen würde. Alle Agenten waren
in die Zentrale beordert worden und der Geheimdienst gab an, keine
Truppen beisteuern zu können, bis das interne Problem
gelöst war. Rubald bedauerte dies, denn die 11. Schwadron
Raul, der geheime eiserne Arm der KGIA wäre die perfekte
Ergänzung seiner Truppe gewesen. Nach dem Eintreffen der
Informationen aus Maraskan über die göttliche
Verständigung, hatte KGIA-Leutnant Gerdenwald
eigenmächtig (was ihm später einen Rüffel
von Dexter Nemrod einbringen sollte) eiligst eine
vertrauenswürdige Truppe zusammenziehen lassen. Ohne die KGIA
Truppen waren es weniger als er oder wir gewünscht
hätten, aber was sie an Quantität nicht erreichten,
machten sie in Qualität mehr als wett. Da wir mit zahlreichen
dämonischen Gegnern rechneten, war keiner ohne eine geweihte
Waffe unterwegs und auch unseren Gefährten wurde angeboten
ihre Ausrüstung entsprechend zu ergänzen.
Rubald hatte in einem Anfall ungewohnten geistigen Scharfsinnes sofort
einen Eilboten mit ausdrücklichen Instruktionen nach Armida
geschickt. Dort hatte Thyria Ehrwald alles an Heiltränken,
Zaubertränken und Waffenbalsam zusammengepackt, was gerade
verfügbar war und der gute Hasan hatte sich in mehreren
Sprüngen damit direkt zum Hafen von Perricum teleportiert.
Die Praios Geweihten wollten zuerst einen ausführlichen
Bericht der bisherigen Ereignisse. Nachdem Salix diese ihrem Geschmack
nach etwas zu stark dramaturgisch beleuchtet darstellte, wobei mir
seine Version sehr gut gefiel, schickte man mich vor. Unter dem
prüfenden Blick der beiden Geweihten gelang es mir nur sehr
wenig auszulassen. Zum Glück interessierte sich niemand
dafür, woher ich so genaue Kenntnisse der echsischen Kultur
hatte. Da ich meine Antipathie den Geschuppten gegenüber
problemlos glaubhaft machen konnte, fragte man in dieser Richtung nicht
weiter nach. Jede Kooperation mit den Echsen wurde von Ucurian
verdammt, in Anbetracht der Umstände und des von uns gegebenen
Ehrenwortes gestand er uns jedoch zu, dass wir Recht gehandelt
hätten. Auch wenn er dabei mit den Zähnen knirschte.
Ich versuchte auch gar nicht erst unsere Funde an Endurium zu
verbergen. Dies war immerhin Eigentum der Kirche. Welcher Kirche,
sorgte kurz für Diskussion, als bekannt wurde, dass es sich
nicht um die üblichen 7 bis 9 Stein sondern um ganze 28 Stein
Endurium handelte. Die Existenz von weiteren ca. 50 Stein die laut den
Unterlagen des Zauberschmiedes bereits abtransportiert worden waren,
verschlug allen Neuankömmlingen buchstäblich die
Sprache.
Als ich die Ereignisse in der Endurium-Mine schilderte, konnte ich mir
einen Kommentar zu den unmenschlichen Lebensumständen der
Minenarbeiter nicht verkneifen. Meine Meinung, dass es sich hier klar
um unrechtmäßige Sklaverei handelte, traf auf
gemischte Reaktionen. Der uralte Armando Laconda DaVanya nickte sowohl
beifällig wie nachdenklich, während Ucurian Jago
streng widersprach. Hier handle es sich um
rechtmäßig verurteilte Verbrecher die ihre
wohlverdiente Strafe absäßen.
Da dies weder die Zeit noch der rechte Ort für eine derartige
Diskussion war, gingen wir dann weiter zum Angriffsplan über.
Armando Laconda DaVanya ergriff das Wort und schilderte den Plan den er
mit seinem Stab vorbereitet hatte. Diskussionen oder
größere Änderungswünsche
ließ er nicht zu.
Der Plan sah einen offenen Anmarsch durch das Haupttor des
"Weißen Palastes" vor. Man rechnete nicht damit, dass es
irgendein Gardist wagen würde die Hand gegen eine Gruppe von
Sonnenlegionären in vollem Ornat zu erheben.
Vor dem Palast sollte sich dann die Angriffstruppe in drei Abteilungen
trennen. Garafan 1 und Garafan II würden das Haupthaus halten
und der Stoßtrupp Ucuri würde mit uns zusammen unter
seiner Führung direkt zu den Gemächern der
Fürsten vorstoßen. Dort würden wir ihn
gefangen setzen und abtransportieren. Inqusitionsrat DaVanya
verfügte über die Ermächtigungen die
Herrschaft über Maraskan vorläufig zu
übernehmen. Unterschrieben und gesiegelt von Brin
persönlich.
Nachdem wir unsere Zusammenarbeit mit den Truppenführern
abgesprochen hatten, verteilten DeLinth und ich die vorbereiteten
Applikatus-Artefakte und behandelten die wenigen übrigen
nicht-magischen Schwerter mit Waffenbalsam. Für Rubald's
Großen Sklaventod, der so hässlich wie
groß war, benötigten wir gleich zwei Portionen. Ich
gehe davon aus, dass er im Dienst normalerweise keinen Sklaventod
trägt, denn es ist eine zwar effektive aber
äußerst hässliche und unelegante Waffe.
Eigentlich hatte ich mit einem geheimen Einsatzkommando und einer
Nacht- und Nebelaktion gerechnet. Als wir daher mit wehenden Bannern
und begleitet von den Gesängen der Sonnenlegionäre
offen durch die Straßen von Tuzak schritten, fühlte
ich mich ungeschützt und verletzlich. Aber vorerst ging alles
nach Plan. Die Straßen um uns waren wie ausgestorben. Die
Stadt schien den Atem anzuhalten.
Am Tor zum Aufstieg zum Palast rannte der alte Veteran Gerrik nach
vorne und überzeugte die Torwachen mit wenigen Worten uns
einzulassen und anschließend die Flucht zu ergreifen. Der
Palast selbst bot einen unheimlichen Anblick. Alle Fenster schienen
sich in dunkle Löcher verwandelt zu haben. Erst innen
erkannten wir, dass sie mit allen vorhandenen, Teppichen,
Brokatvorhänge oder teure Wandgehänge,
verhängt und vernagelt worden waren. Nur die
spärlichen Fackeln boten ein flackerndes Licht.
Vor dem Haupthaus stellten sich die Sonnenlegionäre erst
einmal in Formation auf. Als auf unsere Rufe niemand erschien um uns zu
empfangen, schickte Rubald kurzerhand Gerrik und zwei Soldaten als
Späher los. Alle drei drangen in das Haupthaus ein.
Kurze Zeit später ertönte ein grässlicher
Schrei, als Gerrik in hohem Bogen durch das Fenster hinausgeschleudert
wurde. Tot und entstellt blieb er auf dem Pflaster liegen.
Doch statt den Angriff zu befehlen, wartete Armando Laconda DaVanya
geschlagene zehn lange Minuten ab, um mit dem Gong zur Praiosstunde mit
dem Angriff zu beginnen. Firunja nutzte die Pause um noch kurze
Liturgie über unsere kleine Gruppe zu sprechen, die unseren
Mut und unsere Entschlossenheit stärkte.
Mit den Sonnenlegionären an der Spitze betraten wir die
Haupthalle. Hier bot sich uns ein grauenerregender Anblick! Der Raum
war von dämonischen Präsenzen geradezu
überfüllt. An der Decke wirbelte ein
grünlicher Nebel, der auf uns zu lauern schien. Die Treppe
füllte sich kurz nach dem Betreten durch einen ersten Trupp
Sonnenlegionäre mit einem Pandämonium und aus den
Seitengängen stürzten dämonische Riesenhunde
auf uns ein. Einer davon stellte sich vor mir plötzlich auf
die Hinterbeine und drohte mir, mein Herz zu fressen. Das Vieh war
schnell. Und wenn ich zuschlug, verformte es sich um meinen Hieben
auszuweichen. Schließlich begnügte ich mich zu
parieren und auszuweichen, bis sich bessere Nahkämpfer des
Untieres annahmen.
Armando Laconda DaVanya trat all dem furchtlos entgegen und bannte mit
dem strahlenden Licht des Praios und einer kurzen aber für
einen so alten Mann überraschend mächtig
vorgetragenen Liturgie den Dämon an der Decke. Sonnenlicht
erhellte einen Augenblick den Saal und die Dämonen wichen
einen Atemzug lang zurück. Dann stürmten sie wieder
auf uns ein.
DeLinth benutzte den Pentagramma gegen das Pandämonium,
während die Sonnenlegionäre anfangs erwarteten mit
ihren Praiosgeweihten Waffen kurzen Prozess mit den
Dämonenhunden machen zu können. Mahajin war einer der
ersten, die sich den Untieren stellte. Zu seinem Entsetzen, prallte
sein geweihtes Tuzakmesser einfach von dem Untier ab. Den Gegenangriff
konnte er nur mit Mühe parieren. Schließlich
wechselte er auf den durch Waffenbalsam magisch aufgeladenen Nachtwind
den er als Alternativwaffe bei sich trug und erzeugte problemlos eine
tiefe Wunde. Der Ruf nach magischen Waffen erfüllte den Raum
und nach kurzer Zeit hatten wir uns der Gegner entledigt.
Zwischen den Schleimspuren am Boden und den Brandlöchern auf
der Treppe, fanden sich jedoch bereits jetzt zahlreiche Gefallene. Kein
guter Anfang. Vorsichtig stießen wir weiter durch die
finsteren Gänge vor.
Gleich im nächsten Raum trafen wir auf die ersten menschlichen
Gegner. Ein Trupp unter der Führung des uns bekannten
Corporals Achsenbrecher, des jungen Mannes den wir aus dem
Dschungelfort Retoglück der verrückten Reichstruppen
gerettet hatten, versperrte uns den Weg. Der Corporal zögerte,
weigerte sich aber standhaft seine Befehle zu missachten den Palast mit
seinem Leben gegen die Eindringlinge zu verteidigen. Weder Rubald's
herrische Befehle noch Firunjas vernünftiges Zureden erzielten
einen Effekt. DeLinth und ich kamen schnell zu dem Schluss, dass er
magisch beherrscht wurde. Der Gegenzauber, den DeLinth anwandte,
verunsicherte den jungen Soldaten sichtlich weiter, brach aber nicht
die Beherrschung. Die Soldaten in seinem Trupp waren sichtlich hin- und
hergerissen. Schließlich stürmte einer unserer
Elitesoldaten nach vorne und schlug den Corporal kurzerhand bewusstlos.
Die Drachengardisten schlossen sich uns daraufhin an. Sie berichteten,
die Gruppenführer und Offiziere seinen kurz vor unserem
Auftauchen in eine Konferenz zum Fürsten bestellt worden.
Anschließend hatte man sich auf Verteidigungsposition
begeben.
Gleich im nächsten Raum wurden unsere Späher von
Armbrustschützen empfangen und niedergeschossen. Zwei Mann mit
Sturmschilden sicherten daraufhin den weiteren Vormarsch. Im
nächsten Zimmer sahen wir die beiden gerade noch durch eine
Tür fliehen. Als sie diese hinter sich schlossen,
ertönte grässliches Geheul und Schmerzensrufe aus dem
Raum.
Die Tür flog wieder auf und eine Horde Karmanthi kam uns
entgegen. Bestimmt ein gutes Dutzend! Sumus Griff ignorierend rannten
sie nicht nur über den Boden, sondern auch an der Wand und
sogar an der Decke entlang auf uns zu. Der Anblick verunsicherte mich
zutiefst. Diese Wesen widersetzten sich selbst den elementarsten Regeln
der Realität!
Durch ihre ungewöhnliche Fortbewegung gelangten sie mitten in
unsere Formation. Von allen Seiten sprangen uns Gegner an. In einem der
wenigen Momente, in denen ich Zeit fand mich umzusehen, sah ich einen
halb zerteilten Karmanthi wimmernd am Boden liegen, während
der Dämon neben ihm Oberst von Jergan böse anknurrte.
Doch dieser ließ sich von dieser hinterhältigen List
nicht täuschen. In seinen langen Dienstjahren hatte er
gelernt, dass ein Dämon weder Schmerzen noch Wunden
spürt und voll einsatzfähig ist, solange er nicht in
die Niederhöllen zurück getrieben wurde. Den sich
verletzt stellenden Dämon erledigte er mit einem
überraschenden Hieb zuerst, dann erst griff er den anderen an.
Um mich herum verschwanden Karmanthi in Dreiergruppen. DeLinth nutzte
also den Bannring, den ich speziell gegen diese häufig
eingesetzten Dämonen erschaffen hatte. Im Getümmel
konnte er allerdings nicht verhindern, dass einmal ein Dämon
entschworen wurde, der sich gerade in einen Sonnengardisten verbissen
hatte. Der Ärmste wurde mit durch das Pentagramm gezogen und
verschwand in die Niederhöllen. Nachdem die Reihen der Gegner
genügend gelichtet waren, vernichteten wir die restlichen
Dämonen daher im normalen Nahkampf. Besser tot als auf ewig in
die Niederhöllen verdammt!
Salix erleichterte uns mit einigen Soldaten den Kampf, indem er den
schweren Brokatvorhang vom Fenster riss um warmes Sonnenlicht herein zu
lassen. Irgendwie geriet er dabei unter den Vorhang. Zusammen mit einem
Karmanath!
Ich bekam nicht mit, wie er sich befreite, aber Rubald schien ihm zu
Hilfe geeilt zu sein. Als ich ihn das nächste Mal sah, war er
auch nicht sonderlich verletzt.
Nachdem ich mich meines Gegners entledigt hatte, sah ich am Fenster
außen weitere Dämonen entlang hetzen. Eine Welle
schien durch die Glasscheiben zu gehen. Den Stab fest in der Hand
stellte ich mich in Bereitschaft. Wie erwartet explodierte die Scheibe
plötzlich nach innen und eine Welle aus tödlichen
Splittern fegte durch den Raum. Während sich rings um mich
Soldaten panisch zu Boden warfen, blieb ich stehen und aktivierte den
vorbereiteten Fortifex aus meinem Stabspeicher. An der unsichtbaren
Wand prallte der Angriff wirkungslos ab.
Als ich mich selbstzufrieden umwandte, sah ich Firunja am Boden sitzen.
Der Kopf hing nur nach an wenigen Sehnen, und doch schaute sie noch um
sich. Vor den völlig entsetzten Blicken der Anwesenden,
nestelte sie einen Heiltrank aus ihrem Gürtel und
schüttete diesen teils in ihren Mund und teils direkt in den
offen liegenden Hals. Langsam aber vollständig regenerierte
das mächtige Elixier ihren Körper.
Geschwächt und erschüttert stand sie auf. Selbst die
umstehenden erfahrenen Soldaten waren von dem Anblick
erschüttert, rissen sich aber schnell wieder zusammen und
nahmen wieder den Kampf auf.
Thallian köpfte die letzte Bestie während diese schon
auf ihm lag mit einem schier unmöglichen Manöver.
Blut spritzte in Fontänen über seinen
Körper, bis der Dämon sich dann endgültig
auflöste.
Der Vormarsch durch das Gebäude wurde zu einem einzigen endlos
erscheinenden Alptraum. In fast jedem Gang wurden wir von
Dämonen oder verzweifelten Gardisten angegriffen. Anfangs
gelang es noch einige der Drachengardisten zur Übergabe zu
bewegen, vor allem nachdem wir die jeweiligen Offiziere ausgeschaltet
hatten, aber die Liliengarde blieb wie erwartet treu zum
Fürsten. Immer öfter trafen wir auf marodierende
Dämonen und die Verteidiger wurden zusehends paranoider.
Einige waren gar schon dem Wahnsinn anheim gefallen. Nach kaum einer
Stunde trafen wir nur noch auf Verteidigungsstellungen, die sich gegen
alles und jeden wehrten was sich näherte. Einige der
Stellungen konnten wir umgehen, andere mussten wir auslöschen.
Viele wurden auch von den allgegenwärtigen Dämonen
überrannt, gegen die sie ohne geweihte oder magische Waffen
nichts ausrichten konnten.
In einem Raum trafen wir einen verwundeten Diener, der unter einem
umgestürzten Tisch eingeklemmt war. Inzwischen
vollständig Misstrauisch verhörten wir ihn. Er wollte
von uns aus der Festung geführt werden, aber dafür
waren wir schon viel zu weit gekommen. Er hatte daher nur die Wahl
durch das Fenster zu flüchten oder uns zu begleiten. Was aus
ihm geworden ist weiß ich nicht. Da er sich weigerte aus dem
Fenster zu klettern und nach einem der nächsten
Kämpfe nicht mehr zu sehen war wird er wohl nicht
überlebt haben.
Während wir noch überlegten, in welche Richtung wir
weiter vorstoßen sollten, hörten wir
plötzlich Kampfgeräusche und Schreie von unserer
Nachhut. Als wir zum Gang zurück spurteten, sahen wir, dass
die Sonnenlegionäre von einem ganzen Schwarm von
fuchsgroßen schwarzen Dämonen-Frettchen angefallen
wurden. Vor meinen Augen fraß einer sich wie rasend in den
Arm eines Sonnenlegionärs und verkrüppelte ihn bevor
wir das Biest vernichten konnten. Aber es waren einfach zu viele. Sie
waren zu schnell, klein und trotzdem ungeheuer tödlich! Einer
der Gardisten opferte sich, um den Gang gerade lange genug zu halten
bis seine Gefährten zu uns durch die Türe
flüchten konnten. Sofort verrammelten wir diese mit
Möbeln und zogen uns weiter zurück.
Im nächsten Gang wurden wir gerade noch Zeuge, wie ein
Drachengardist einen der Liliengardisten niederstach. Als er uns kommen
hörte, drehte er sich hektisch um und atmete dann erleichtert
ein: „Das ist der letzte der Verräter!“
sagte er „die anderen haben wir bereits eliminiert. Wenn ihr
mir folgt kann ich euch auf dem kürzesten Weg zum
Fürsten bringen.“ Er wirkte sehr
überzeugend, aber irgendetwas kam mir nicht richtig vor.
Während meine Gefährten ihn befragten, wirkte ich
einen Sensibar um seine Gefühle zu erforschen. Wut und Hass
gegen die andere Seite, sowie ehrliche Überzeugung
für das richtige zu kämpfen erfüllten seinen
Geist. Leider war dies immer noch zwiespältig. Erst als ich
ihn direkt ansprach, konnte ich spüren, dass sich sein Hass
gegen uns richtete!
Zeitgleich hatte Firunja ihn wohl mit Hilfe ihres Zeichens durchschaut.
Unsere Warnrufe erklangen fast synchron.
Der Gardist reagierte sofort. Die sterbliche Hülle zerfloss in
niederhöllischen Schleim und eine eklige Made mit
unmöglich langen Tentakeln sprang daraus hervor. Als sie einen
Schrei ausstieß, wurde es im Raum schlagartig finster, da die
Türen zu dem Licht erfüllten Nebenraum knallend
zufielen. Das Geräusch von schweren Möbeln die davor
aufgeschichtet wurden war deutlich zu hören. Gleichzeitig warf
er einen neben ihm stehenden Fackelhalter auf einen großen
Haufen an Möbelstücken, der bisher unbeachtet in der
Mitte des Raumes lag. Schlagartig explodierte der Haufen, in dem wohl
Fässer mit brennbarer Flüssigkeit versteckt waren.
Brennendes Öl verteilte sich im Raum und ließ den
Teppich aufflammen. Mit Reflexen die mich selber überraschten,
wirbelte ich den Flammen aus dem Weg und drückte mich an eine
sichere Wand.
Weitere Maden-Dämonen erschienen aus Verstecken und griffen
uns an. Die Luft füllte sich mit Rauch und das flackernde
Licht des Feuers ließ alles noch unwirklicher erscheinen. Ein
Alptraum aus der Hölle! Tentakel die unmöglich in den
winzigen Madenkörpern untergebracht werden konnten, schossen
auf unmögliche Länge heraus und schlugen tiefe
Wunden. Kam man näher heran, sprühten uns die Wesen
grün leuchtende ätzende Säure entgegen die
sich noch längere Zeit immer tiefer in die Haut brannte. Die
Sonnenlegionäre stimmten einen Choral an und nahmen den Kampf
auf. Meine Gefährten kämpften stumm aber umso
verbissener. Ich zog Seite an Seite mit DeLinth mein Flammenschwert und
verteidigte mich. Meine wenigen Gegenangriffe blieben fast wirkungslos,
so dass ich mich bald löste und mir eine sinnvollere Aufgabe
suchte. Thallian und Mahajin wirbelten Seite an Seite durch den Raum
und beachteten weder Feuer noch Rauch. Ihre mächtigen
Schwerter erledigten genügend Gegner, so dass sich einige
Legionäre vom Kampf lösen konnten. Die Luft wurde
immer dicker, bald würde es nur noch eine Frage der Zeit sein,
ob wir zuerst verbrennen oder ersticken würden. Die
Sonnenlegionäre versuchten die Türe frei zu bekommen,
aber die Falle war gut vorbereitet gewesen.
Schnell zog ich den mit Applikatus versehenen Talisman aus seiner
Tasche und richtete ihn auf die nächste Tür.
„Zerberste!“ rief ich den Auslöser und
eine Welle aus Magie zog durch den Raum. Eine der Maden warf sich
blitzschnell in den Kegel und zog einen Schatten in den
Wirkungsbereich. Die Wirkung fiel daher überraschend schwach
aus, aber als noch zwei Legionäre gleichzeitig gegen die
geschwächte Tür rannten, flog sie splitternd in
Stücke. Der Weg war frei!
Abgelenkt hatte ich den Dämon nicht bemerkt, der nun auf mich
zu wirbelte. Kurz bevor er mich von meinen Gefährten
abdrängen konnte, stürmte aber Rubald an mir vorbei,
warf mich im rennen wie eine Puppe über seine Schulter und
transportierte mich durch die Flammen springend aus dem Raum. Hinter
uns warfen meine Gefährten sofort die Reste der Tür
zu und kippten einen riesigen Mohagoni-Schrank davor. Fürs
erste würde das halten.
Schnell aber immer noch geordnet stürmten wir weiter. Korridor
um Korridor erkämpften wir. Zahlreiche Dämonen wurden
von Armando Laconda DaVanya mit Liturgien gebannt und vernichtet. Bald
war er aber sichtlich am Ende seiner gottgegebenen Kräfte.
Seine vier verbliebenen Sonnenlegionäre wechselten sich ab ihn
zu stützen und konzentrierten sich darauf ihn zu verteidigen.
Als wir zur Abwechslung einen gegnerlosen Gang betraten, atmeten wir
alle erleichtert auf und durchquerten ihn in dichter Formation.
Warnrufe erklangen, als einige meiner Gefährten sich
plötzlich alarmiert umblickten. Einen Atemzug standen alle
totenstill. Alles blickte sich nervös um. Nichts zu sehen.
Nichts zu hören. Als wir dachten, wir hätten uns wohl
getäuscht, brachen die Niederhöllen aus allen
Richtungen auf uns herein. Gallertartige Würfel mit einem Horn
und einem Stielauge brauchen aus Boden, Wänden und der Decke.
Einer der Soldaten stellte sich und wurde vor unseren Augen von
plötzlich ausgebildeten Tentakeln ergriffen und in der Luft in
Stücke gerissen. DeLinth erkannte sie. Das waren
Je-Chrizlayk-Ura, die kleineren und wilderen Versionen des Dharai. Fast
ebenso stark, aber viel schneller und wilder als ihr für
Lasttransporte beschworener „Verwandter“. Salix
entfernte, seine beiden Waffen wie eine Schere nutzend, das Stielauge
eines der Monstren. Natürlich bildete sich sofort ein neues
aus der Masse heraus, aber in den beiden Herzschlägen in denen
das Wesen blind war, konnten Mahajin von rechts und Thallian von Links
mit aller Macht zuschlagen. Rubald stürmte mit lanzenartig vor
sich gestrecktem Sklaventod in die Mitte. Das Wesen verging in faulige
Schlacke. Der Weg zur Türe war frei. Eine kleine verzweifelte
Einheit vermutlich längst wahnsinnig gewordener
Liliengardisten, die sich im Nebenraum verschanzt hatten, rannten wir
einfach über den Haufen.
Knirschen und Knacken ertönte ein weiteres Mal. Hatten die
Eingehörnten uns eingeholt? Wir bemerkten ein erneutes
schweres Gepolter, dann stürzte schon wieder die Decke auf uns
herab. Mit einer enormen Kraftanstrengung warfen wir uns
vorwärts um den Trümmern zu entgehen. Einer der
Soldaten wurde zerquetscht, der Rest entkam. Um mich blickend erkannte
ich aber sofort, dass einer von uns fehlte. Mahajin, der unseren
Rückzug nach hinten sicherte, hatte sich zurück
werfen müssen und war nun von uns abgeschnitten. Er rief uns
zu er würde versuchen sich auf Umwegen zu uns durchzuschlagen
und entfernte sich. Ich rechnete damals nicht damit ihn je wieder zu
sehen.
Unser Weg führte uns in einen großen Audienzsaal.
Wie man an der Qualität der Teppiche und
Einrichtungsgegenstände deutlich erkennen konnte,
näherten wir uns langsam den Räumlichkeiten des
Fürsten. Mein Herz als Sohn eines Teppichhändlers
schmerzte als ich sah, welch teure Knüpfarbeiten man hier als
notdürftigen Sonnenschutz an die Fenster genagelt hatte.
Selemer Kreuzmuster, 37 Dukaten der Rechtschritt, alanfanische Habib
Teppiche, 12 Dukaten der Rechtschritt und maraskanische
Vielfarben-Faserteppiche, trotz minderwertiger Verarbeitung immerhin 7
Dukaten der Rechtschritt. Als unsere Soldaten wie bisher auch damit
begannen diese grob mit Schwerthieben und zerren zu entfernen, um
Sonnenlicht in den Gang zu lassen, blutete mir das Herz. Als ich dies
dachte, glaubte ich das Blut regelrecht zu riechen. Erst als mein
Fuß sich mit einem schmatzenden Geräusch aus dem
dicken Bodenteppich löste, bemerkte ich die Herkunft des
Geruches. Der Teppich war mit Blut getränkt. Bevor ich den
Grund erkennen konnte, schwebten erste Tropfen aus dem Teppich nach
oben. Erst eine feine Gischt, dann zahlreiche Fontänen die
sich zu altbekannten Gestalten formten. Schwarze Kuttenträger
mit Schwert und Peitsche. Heshthotim! Rubald hob die Klinge bis er die
Decke fast erreichte: „Es sind nur Heshthots! Macht sie
nieder!“
Bevor er seine Aufforderung jedoch selbst in die Tat umsetzen konnte,
wirbelten zwei Gruppen von Heshthotim plötzlich wirr
durcheinander. Aus der Masse formten sich zwei riesige Heshthots. Hoch
bis zur Decke, immer noch mit einer bösartigen Peitsche und
einem klagend durch die Luft heulenden Schwert bewaffnet.
Ein Gefühl des Hasses erfüllte den Raum, und eine
finstere Stimme ertönte wie aus der Tiefe eines Grabes:
„Sterbliche, ihr werdet LEIDEN!“
Von hinter mir hörte ich jemanden rufen:
„Größer sind sie nur leichter zu
treffen!“. Dies löste den Bann. In zwei Gruppen
stürmten wir auf die Gegner ein. Das riesige Schwert sauste in
weitem Bogen durch den Raum und schleuderte uns zu viert zu Boden.
Rubald parierte den Angriff als er zu ihm kam, dann erwiderte er mit
weit ausholenden Hieben. Wieder und wieder sauste das Schwert durch den
Raum. Dazwischen knallte die Peitsche. Über uns erschien die
Illusion eines Pentagrammes an der Decke. Ich gab meine sinnlosen
Versuche den Dämon mit meinem Stab zu verletzen schnell auf
und schützte stattdessen DeLinth, der mit starrem Blick den
Pentagramma skandierte. Zweimal knallte ihm die Peitsche über
den Körper, als ich vergeblich versuchte für uns
beide zu parieren. Keine Miene verzog er trotz der sicherlich
höllischen Schmerzen. Dann blitzte das Pentagramm auf und der
Dämon verschwand heulend zurück in die
Niederhöllen.
Der andere Riesen-Heshthot wich scheinbar in den Limbus aus, so
dünn wurde seine Materie. DeLinth nutzte einen vorbereiteten
Wurfstern mit Applikatus Limbus versiegeln. Der Dämon fing das
Geschoss und fraß es ohne negative Auswirkungen. Auch der
trotz allem ausgelöste Zauber schien ihn nicht zu behindern.
Thallian hatte sich inzwischen an die Beweglichkeit des Dämons
angepasst. Mit einigen mächtigen Hieben fällte er ihn
wie einen Baum. In einer schwarzen Rauchwolke verschwand er. Sein
niederhöllisches Schwert fiel zu Boden, ebenso wie seine
Peitsche. Thallian starrte einen Moment misstrauisch auf das Schwert.
Gleich kam Leben in die unbeobachtete Peitsche und sie
schlängelte sich wie eine Schlange auf mich zu um mich zu
beißen. Doch bevor sie mich erreichen konnte, lösten
sich auch die Waffen in schwarzen Rauch auf, um ihrem Herrn zu folgen.
Als wir durch die Tür in den nächsten Raum
stürmten, rechneten wir schon mit dem nächsten
Angriff. Zu unserer angenehmen Überraschung, trafen wir
stattdessen auf Mahajin, Armando und die vier verbliebenen
Sonnenlegionäre und weitere die vier letzten Krieger der
Blutroten Raben. Etwas weiter entfernt war ebenfalls
Schlachtlärm zu hören. Unsere Verbündeten
hatten offensichtlich aufgeschlossen und zogen einen Teil der Gegner
auf sich.
Mit neu gewonnenem Mut ließen wir einen Kampfschrei
ertönen und nahmen uns den nächsten Gang vor. Und
dann weiter, einen Raum nach dem anderen. Schwärme schwarzer
Wiesel, Gruppen von Zants, säurestrotzende Sordul und Horden
weiterer „normaler“ Heshthotim. Alles fiel unter
unserer Wut. Zeit verging. Und längst war der letzte Heiltrank
oder Zaubertrank getrunken und alle mit Applikatus vorbereiten Zauber
aufgebraucht. Ich kann nicht sagen ob es Stunden oder Tage waren, die
wir kämpften. Da wir noch keinen Hunger und kaum Durst
spürten, kann es nicht so lange gewesen sein wie es schien.
Außer den Mitgliedern unseres Trupps sahen wir keinen
lebenden Menschen mehr. Was sich an Gardisten noch im Gebäude
aufgehalten hatte, war inzwischen von den zahlreichen Dämonen
gefressen oder zerrissen worden. Schon lange hatten wir auch keine
Verbündeten mehr gesehen oder gehört.
Endlich erkannten wir, dass wir den inneren Palast erreicht hatten.
Vorsichtig pirschten wir durch einen prächtigen breiten Gang.
Vermutlich das Vorzimmer zum Thronsaal. Diesmal nahmen wir uns vor
vorsichtig und geordnet einzudringen. Es blieb allerdings bei der guten
Absicht, denn plötzlich wirbelten hinter uns Tentakel und
Mäuler aus Wänden, Boden und Decke. Ein
Pandämonium breitete sich rasend schnell hinter uns aus und so
hetzten wir blindlings vorwärts durch das unverschlossene Tor.
Wir kamen im riesigen Thronsaal zum stehen. Das Tor schloss sich hinter
uns mit einem endgültig klingenden Schnappen. Bevor wir
reagieren konnten, kroch eine lähmende Kälte durch
meinen Körper. Meine Gefährten um mich herum
erstarrten ebenfalls. Ein mächtiger Wille verbat uns jede
Bewegung. Auch ich konnte mich nicht wehren, wollte mich gar nicht
wehren. Aber eine kleine leise Stimme protestierte. Immer lauter
ertönte sie in meinem Geist in uraltem Tulamidya:
"ER ist da. Ich spüre IHN. Hüte Dich!"
Ein hysterisches Gelächter erfüllte den Raum. Auf
seinem Thron zusammengekauert saß Fürst Herdin.
Unheilbarer Wahnsinn strahlte aus seinen wirren Augen. Dies sollte die
finstere Macht hinter der Unterdrückung Maraskans sein? Wohl
kaum. Mein Blick wurde wie magisch von der einzigen weiteren fremden
Person im Raum angezogen. Kommissar Delian von Wiedbrück,
Sicherheitsberater des Fürsten und hoher Kommissar der KGIA
wandte uns den Rücken zu. Mit einer leisen und doch den Saal
bis zur letzten Ecke füllenden Stimme hielt er einen Monolog.
Dabei hielt er ein schwarzes Taschentuch in den hinter dem
Rücken gefalteten Händen. Irgendein blutrotes Symbol
war darauf eingestickt.
Er redete weiter, doch ich konnte nur die Stimme in meinem Kopf
hören, die immer lauter wurde. Armando Laconda DaVanya
erwiderte etwas. Weder seine Forderungen noch Wiedbrück's
Antwort nahm ich wahr. Etwas an seinen Händen stimmte nicht,
zog meinen Blick an. Die Stimme meines Rubinauges füllte
meinen Verstand aus: „Lass Dich nicht
täuschen! Die Hände! Schau Dir die Hände an!
ER ist es. Ich erkenne IHN! Vor mir konnte ER sich nie verbergen. Ich
kenne IHN…"
Wie ein Blick auf das berühmte Bild im Hesindetempel von
Khunchom, das entweder eine Vase oder zwei küssende Gesichter
zeigt, änderte sich nicht das Bild. Nur meine Wahrnehmung
änderte sich. Und plötzlich erkannte ich, was mich
unterbewusst bereits die ganze Zeit gestört hatte. Die Finger!
ER hatte sechs Finger an jeder Hand! Und ich erinnerte mich. Damals,
als ER aus dem Kesser der Urgewalten stieg. Damals, als Pardona IHM
einen neuen Körper verschafft hatte. Schon damals hatte ER ihn
vor uns verborgen. Den Makel seines Körpers. Den sechsten
Finger an jeder Hand! Das Stigma seiner echsischen Herkunft!
Unbändige Wut erfüllte meinen Geist und
überwand die Lähmung. Ich trat vor und Worte kamen
über meine Lippen, die nicht die meinen waren: "DA BIST DU
ALSO ASSARBAD, ICH HABE DICH GEFUNDEN UND MEIN ZORN WIRD DICH
VERNICHTEN!"
Zum ersten Mal kam Regung in das bisher emotionslose Gesicht des
Kommissars. Vages Interesse keimte auf als er mich anblickte: "Kennen
wir uns? Deine Stimme kommt mir irgendwie bekannt vor. Mich
würde interessieren wie Du mich erkannt hast. Aber das spielt
eigentlich keine Rolle. Ich werde den Verlust verschmerzen und mich
nach Alternativen umsehen."
Risse überzogen seinen Leib aus denen rotes Licht hervor
glühte. Seine Haut, seine Haare, alles löste sich von
seinem wahren Körper. Und aus der vergehenden Hülle
von Delian von Wiedbrück, trat der Dämonenmeister:
Borbarad.
Ich trat einen weiteren Schritt auf ihn zu: ""ICH BIN ABDUL IBN MUSTAFA
IBN AL'HAZRED, DEIN EHEMALIGER DIENER AUS ZHAMORRAH UND DU WIRST
FÜR DEINEN VERRAT BEZAHLEN!"
Ein mächtiger rubinroter Blitz schoss aus meinem Auge. Wie
damals, als mich der Parder im Dschungel anfiel, benutze das Auge seine
offensiven Fähigkeiten von sich aus. Und wie damals
erschütterte die brutale Gewalt des Zaubers meinen Geist. Ich
verlor einen Moment das Bewusstsein. Noch im Fallen konnte ich jedoch
sehen, wie „von Wiedbrück“ den Strahl aus
der Luft pflückte und lässig auf einen der immer noch
regungslosen Sonnenlegionäre umlenkte.
Als ich wenig später wieder zu mir kam, erinnerte nur noch ein
Brandfleck und der Geruch nach verbranntem Fleisch an den furchtlosen
Kämpfer. Um mich herum hatten meine Gefährten derweil
die Lähmung abgeschüttelt. Entweder hatte Borbarad
sie frei gelassen, oder die Enthüllung seiner
Identität hatte den Zauber gebrochen. Außerdem sah
ich Ucurian Jago und fast zwei Dutzend unserer Kämpfer, die
allerdings vom Kampf durch die Gänge bereits schwer gezeichnet
waren.
Er selbst stand am Ende des Saales. Vor ihm steckte ein rot leuchtender
und reich mit Runen verzierter Stab aus Blutulmenholz im Boden.
Grünschwarze Geister durchzogen die Luft und verbreiteten
Furcht und Entsetzen. Am schlimmsten jedoch waren die vier Shruufya die
uns den Weg zum Dämonenmeister versperrten. Doch es waren
keine gewöhnlichen Shruufya! Während wir schon mehr
als eine dieser Bestien besiegt hatten, standen wir hier einer
wesentlich härteren Herausforderung gegenüber. Ihre
Tentakel bewegten sich mit unglaublicher Geschwindigkeit. So schnell,
dass das Auge ihnen kaum folgen konnte! Neben mir kämpften
Rubald und DeLinth. Meinen Stab fest in die Hand nehmend,
stürmte ich vorwärts. Zu dritt versuchten wir einer
der Bestien bei zu kommen, doch die wenigen Wunden die wir schlugen,
schlossen sich vor unseren Augen. Und viele unserer Angriffe wurden von
den blitzschnell wirbelnden Tentakeln abgewehrt. Ich versuchte ihn mit
einem Fortifex in die Enge zu drängen, lernte jedoch bei
dieser Gelegenheit, dass der Zauber einen Dämon nicht im
Geringsten aufhalten kann.
Eben wollte ich den wie üblich vorbereiteten Attributo aus
meinem Stabspeicher aktivieren, um noch etwas härter
zuschlagen zu können, als mir eine bessere Idee kam. Ich
berührte Rubald leicht von hinten mit dem
ausgestreckten Stab und lies IHN in den Genuss erhöhter
Körperkraft kommen. DeLinth begriff sofort was ich vor hatte
und legte seinerseits einen Axxeleratus auf den Krieger. Unsere Waffen
konnten den Dämon nicht wirklich verletzen, nun sollte Rubald
unsere Waffe sein. Wir mochten gegen den Dämon nichts
ausrichten können, aber der hünenhafte Krieger mit
dem riesigen Sklaventod, der nun über die Stärke
eines Ogers und die Geschwindigkeit eines Parders verfügte, er
konnte es. Blitzschnelle Zweihandhiebe durchbrachen die Abwehr und
rissen tiefe Wunden. Aufheulend schrie der Dämon um Gnade,
bevor er in die Niederhöllen verschwand.
Während ich noch über das ungewohnte Verhalten des
Dämons grübelte, stürmte DeLinth bereits
vor. "Der Stab! Wir müssen den Stab entfernen!"
Bevor ich ihm folgen konnte, schlossen die übrigen Shruufya
ihre Schlachtreihe.
Borbarad hob nur gleichgültig die Hand: "Bann des Erzes!"
Eine Welle aus Magie durchfuhr den Raum. Ich spürte meinen
Armatrutz vergehen. Der nutzlose Fortifex verschwand. Mir war klar,
dass alle Zauber des Elementes Erz ihre Wirkung verloren haben mussten.
Das Waffenbalsam, der Adamantium. Alles gebannt auf einem Schlag!
DeLinth wurde von der Welle der Magie zurück geschleudert,
rappelte sich aber sofort wieder auf. Der Shruuf, der ihm am
nächsten stand, begann sich ihm zu zu wenden. Ohne den Schutz
des Armatrutz würde er meinen Freund zerfetzen!
Meine Gefährten wollten während dessen
natürlich ebenfalls zu ihm stoßen, doch die Abwehr
der Shruufya war undurchdringlich. Plötzlich wurde Thallian
von einem Tentakel getroffen und von der Wucht des Aufpralls meterweit
zurück geschleudert. Benommen blieb er einen Augenblick an der
Wand liegen, die seinen Flug unsanft gebremst hatte. Dann jedoch
färbten sich seine Augen in ein widerliches Gelb. Die Pupillen
verformten sich zu hinterhältigen Schlitzen und seine Haut
überzog sich mit abscheulichen grünen
Schuppen. Und er sprang auf, so als ob er keine Schmerzen mehr
spüren würde und hob das Schwert hoch über
seinen Kopf, doch er schien einen Moment unentschlossen.
Dann verzerrte Zorn sein Gesicht und mit einem echsischen Zischlaut
stürmte er auf den Dämon ein, der dieser Wildheit
nichts entgegen zu setzen hatte. Tentakelstücke flogen umher,
blaurotes Blut spritzte in Fontänen durch den Raum. Der
Dämon verschwand! Ohne zu zögern stürzte
sich Thallian auf den nächsten Gegner, den Mahajin und Rubald
in der Zwischenzeit beschäftigt hatten.
Ich warf einen Blick auf das Hindernis aus den wirbelnden Tentakeln der
verbliebenen Shruufya, das mir den Weg zum Stab versperrte. Zwischen
den Dämonen und den wirbelnden Zweihändern meiner
Gefährten war kein Durchkommen. Doch DeLinth konnte sich dort
unmöglich alleine halten! Neben ihm bildete sich in der Luft
bereits das Schimmern, das die Ankunft eines weiteren Shruuf
ankündigte. Ich musste zu ihm! Doch noch wurde der Weg von den
Kämpfern und Ihren Gegnern versperrt.
Hesinde sei Dank, fiel mir das Einweg-Artefakt ein, dass ich bereits
auf der ganzen Reise mit mir herum trug. "Möge der Fluss der
Zeit sich meinem Willen beugen!" rief ich die Aktivierungsformel. Mit
einem leisen Klirren zersprang der fokussierende Diamant auf der
Arkaniummünze und lies seine Kristallenergie in den Zauber
fließen. Der Tempus Stasis begann zu wirken. Um mich herum
erstarrten sowohl meine Freunde, wie auch die peitschenden
Dämonen. Geschickt zwängte ich mich zwischen den
unbeweglichen Hindernissen hindurch, um zu dem Stab zu gelangen.
Kletterte über unbewegliche Tentakel und zwischen den
erhobenen Schwertern hindurch.
Doch was war das? Ich wurde langsamer. Als müsste ich mich
durch zähen Gelee kämpfen. Was konnte das sein? Noch
nie hatte mich während eines Tempus Stasis irgendetwas
beeinflussen können. Als ich aufblickte, sah ich durch den
Raum in die Augen meines Feindes. Borbarad wurde durch die Zeitmagie
nicht beeinflusst! Er starrte mich interessiert an, schien mich mit
seinem bloßen Willen bremsen zu wollen. Vergeblich!
ER würde mich nicht aufhalten. ER nicht! Tief in meinem Kopf
hörte ich die nur mir bekannte Stimme zu mir sprechen.
"Widerstehe! Du kannst ihn besiegen. ER hat keine Macht über
Dich, die Du IHM nicht gewährest. Besiege IHN! ERSETZE IHN AUF
SEINEM BLUTROTEN THRON!"
Ich kam beim Stab an, bevor der Zauber seine Wirkung verlor und die
Dämonen wider zu alter Wildheit erwachten. DeLinth blinzelte
zwar kurz erstaunt ob meines überraschenden Auftauchens, rief
dann aber geistesgegenwärtig: "Auf Drei! Eins…
Zwei… "
Von hinten kam ein Keuchen wie von einem wütenden Stier.
Rubald hatte eine Lücke zwischen den Shruufya gefunden und
donnerte auf uns zu. In dem Moment, in dem wir beide zugriffen, rannte
er aus vollem Lauf gegen uns und den Stab und brüllte:
„DREI!!!“
Dies genügte den Stab aus dem Boden zu lösen.
Aufheulend wirbelten die Shruufya, die sich eben noch auf uns
stürzen wollten, herum. Direkt auf den Dämonenmeister
zu! Ohne den Fokus seiner Macht hatte er die Kontrolle verloren.
Unbeeindruckt hob er eine Hand und schnippte einmal scharf mit den
Fingern. Die Dämonen schienen sich einen Augenblick ineinander
zu falten, dann verschwanden sie.
Borbarad blickte uns nur an, keine Regung war auf seinem Gesicht zu
erkennen und zog dann mit dem Zeigefinger eine Linie senkrecht vor sich
durch den Raum. Die Realität öffnete sich vor ihm, um
dem wabernden Nichts des Limbus Platz zu machen. Gelassen trat er einen
Schritt vor und verschwand durch das sich sofort hinter ihm
schließende planastrale Portal.
Das einzige was zurück blieb, war ein nachtschwarzes
Seidentuch mit einem mir unbekannten Symbol. Ein blutroter Kreis mit
sieben Zacken und einem kleinen roten Punkt in der Mitte.
DeLinth winkte mir sofort auffordernd zu: „Schnell! Ein
Limbus Portal! Er darf nicht entkommen!“
Ich winkte nur müde ab. Soviel Kraft hatte ich schon lange
nicht mehr. Und selbst wenn wir den Dämonenmeister eingeholt
hätten, waren wir beide momentan sicher nicht in der Lage ihn
zu besiegen. Ob wir das überhaupt je sein würden?
Erschöpft, aber siegreich schleppten wir uns aus dem Palast.
Von den einstmals über Hundert Sonnenlegionären,
Bannstrahlern und Blutroten Raben, waren gerade mal zwei Handvoll noch
am Leben. Und keiner davon unverletzt. Hinter uns zurück
ließen wir die Trümmer des einstmals
prächtigen Weißen Palastes.
Noch vor der Abschlussbesprechung, während andere noch dabei
waren ihre Wunden zu verbinden, stürzten DeLinth und ich uns
auf die Analyse des eroberten Stabes. Blutulmenholz, mit zahlreichen
leuchtenden Runen verziert. Berührte man den Stab, so
leuchteten sie blutrot auf.
Hier erlebten wir allerdings eine Überraschung. Der Stab
widerstand allen Analysen. Ob Odem, Oculus oder Analys. Alleine oder im
Unitatio, all meine Tricks und Kniffe und alle Sturheit von DeLinth
brachten dasselbe Ergebnis: „Ein völlig unmagischer
Stock.“
Das Leuchten und Flackern der Runen schien uns zu verspotten.
Natürlich gab es dafür eine mögliche
Erklärung. Sakrale Gegenstände die mit der karmalen
Kraft der Götter, anstatt der astralen Kraft der Magie
erfüllt sind, entziehen sich jeder magischen Analyse. Doch
dies hätte Borbarad in die Reihen der Götter
eingereiht und das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! Auf dem
Rückweg würden wir Spektabilität Khadil
Okarim zu Rate ziehen. Und wenn auch seine Kunst versagte, blieb nur
noch eine Walfahrt zum höchsten Hochgeweihten der Hesinde.
Vielleicht konnte Göttliche Macht den sicherlich vorhandenen
Aurarcana Deleatur Cantus durchdringen.