Aus dem Tagebuch des Magiers Torben ibn Abdul, des Ersten Gezeichneten:
9. Rondra 26 Hal
In der Nähe des Friedhofs der Seeschlangen
Als wir nach der schnellen Flucht aus der echsischen Stufenpyramide
etwas Atem geholt hatten, konnten wir aus der Ferne in aller Ruhe
zusehen, wie das Gebäude bebte, erzitterte und schlussendlich
größtenteils zusammenstürzte.
Nachdem Yo’Naho sich nicht über die Klippe schwang
um uns zu verfolgen, schlugen wir ein Stück weiter im Wald ein
etwas stabileres Lager auf. Zuerst wurden die zahlreichen Wunden
verbunden, dann begann Firunja ein Gebet, um für uns alle um
Heilung zu bitten. Sie versuchte zwar es sich nicht anmerken zu lassen,
aber ich konnte doch sehen, dass ihr Blick mehrfach zweifelnd
über die zahlreichen Verwundeten glitt. Auch die Macht der
Geweihten ist nicht unerschöpflich. Wie immer beteten wir
ehrfürchtig mit. Einen Moment hatte ich sogar das
Gefühl, als würde ich die Macht des Mirakels direkt
spüren, als würde ich einen Teil dazu beitragen...
Vermutlich die Nerven.
Trotz allem gelang es ihr den Heilsegen auf alle Verwundeten zu
sprechen, wonach die Lage schon deutlich entspannter aussah.
DeLinth wickelte dann sein neu gewonnenes Dämonen-Schwert fest
in seinen Regenumhang. Da ich ihn ja nun schon etliche Jahre kenne,
konnte ich die Anstrengung in seinen unbewegten Augen sehen, die es ihn
kostete das Schwert wegzulegen. Kein gutes Zeichen.
Nachdem wir nun das Tongefäß zertrümmert
und die echsische Botenlibelle losgeschickt hatten, konnten wir hier
nur noch warten und uns erholen.
10. Rondra
Kaum aufgewacht, machte ich mich daran das Zepter der Echsen magisch zu
untersuchen. Ohne den vorbereitenden Odem zwar nicht ganz so einfach,
aber bei diesem Artefakt hätte ich mir sicher die Augen
ausgebrannt. Schon der doch deutlich besser abgeschirmte Oculus hatte
mich auf 30 Schritt Entfernung geblendet und mir für Stunden
lästige Kopfschmerzen beschert.
Obwohl ich ein mächtiges Artefakt erwartet hatte, war ich doch
überrascht. Die Ausstrahlung des Zepters entsprach in etwa der
eines alten Drachen oder eines Erzdämonen! Der
größte Teil seiner Magie befand sich in ruhendem
Zustand. Astrale Verbindungen endeten teilweise im Nichts. Das Artefakt
war daher offensichtlich Teil einer größeren
Anordnung.
Die Magie beruhte auf uralten echsischen Techniken, die mit den
Methoden aus dem LZS so viel gemein haben, wie die aktuelle Gildenmagie
mit den Ritualen der Kophtanim.
Neben seiner inaktiven Komponenten, enthielt das Artefakt zahlreiche
Muster aus dem Bereich der Invocatio und Exvocatio, allesamt
spezifiziert auf die Domäne der Charyptoroth. Es
würde wohl Beschwörungen und Exorzismen dieser
Domäne erheblich erleichtern.
Für uns trotz seiner Macht also insgesamt nicht einsetzbar und
mit zu vielen unbekannten Funktionen behaftet. Sollen die Echsen es
zurück haben.
Obwohl meine Kräfte nach der zehrenden Analyse völlig
erschöpft waren, musste ich das Schwert natürlich
ebenfalls noch untersuchen. DeLinth unterstützte mich daher im
Unitatio mit der Energie und zahlreichen
„nützlichen“ Ratschlägen.
„Fass es ja nicht an!“ Als ob ich sowas auch nur
mit einer Schmiedezange anfassen würde! Ein Schritt Entfernung
reicht bei einer so starken Matrix auch völlig aus.
Das Schwert enthielt ebenfalls zahlreiche offene Verbindungen,
vermutlich um sich an seinen Träger zu heften. Einige mir vage
bekannt erscheinende Canti stärken die Kampfkraft des
Trägers. Gegen die Anwendung durch
„Unwürdige“ ist es mit mächtigen
Abwehrzaubern versehen. Besonders für Geweihte würde
selbst eine kurze Berührung schwere Wunden verursachen. Nur
derjenige, der seinen Wahren Namen („Yamesh-Aquam“)
kennt, kann es führen. Und selbst dann muss es der
Träger seinem Willen unterwerfen und den ersten Abwehrschlag
überleben. Wie gut, dass wir den Namen vor dem Kampf noch in
den Unterlagen des thorwalischen Zauberschmiedes gefunden hatten.
Von einer Anwendung des Schwertes würde ich dringend abraten,
denn seine Kraft zieht es teilweise aus dem Sikaryan des
Trägers, was bekanntlich zur Verwandlung in einen verfluchten
Vampir führen kann. Es würde mich auch nicht wundern,
wenn dieser dann unter der direkten Kontrolle erzdämonischer
Wesenheiten stehen würde.
Anschließend blieb uns nur noch auf die Geschuppten zu warten.
Gegen Mittag traten die uns bekannten drei Echsen dann im Dauerlauf aus
dem Wald. Nachdem sie uns angemessen unterwürfig
begrüßt hatten, durften sie kurz das Zepter sehen.
DeLinth jammerte im Laufe des Tages völlig uncharakteristisch
herum, da er erst jetzt begriffen hatte, dass das Henkersschwert des
Blakharaz-Paktierers Praiotin von Rallerau die Seelen ihrer Opfer in
sich aufsaugen und damit ja Borons rechtmäßigem
Zugriff entziehen. Und in Armida haben wir so ein Schwert als
Trophäe an die Wand gehängt, anstatt es zum Boron
Tempel in Punin zu bringen, um dort die Seelen befreien zu lassen. Er
schwor hoch und heilig dieses Versäumnis so schnell wie
möglich zu korrigieren.
Unter den Ruinen des Echsentempels liegt nun aber ein weiteres Schwert
mit gefangenen Seelen. Darum wollte er sich natürlich auch
kümmern.
Nachdem er keine Ruhe gab, sahen wir uns die Ruine noch mal an. Die
Gänge hinunter waren unpassierbar. An der Klippe hinab konnten
wir nicht erkennen, ob es noch einen Eingang gab.
DeLinths Vorschlag ihn angeseilt hinunter zu lassen, lehnten wir
kurzerhand ab. Direkt unter der Klippe ist im Wasser immer noch der
schwarze Kreis des bodenlosen Loches zu Charyptoroths Domäne
zu erkennen. Nicht auszudenken, was dort alles plötzlich nach
ihm greifen könnte…
Stattdessen ließen wir mein Himmelsauge an einem Seil
hinunter. Sehen konnte ich dadurch immer noch nichts, da der Eingang
zur Ritualhöhle von einem dichten Tangvorhang versperrt wird.
Nach einem kurzen hin und her schwingen wurde mir das ganze zu dumm und
vor allem zu gefährlich. Sollte meine Kugel in die bodenlose
Tiefe fallen, würde ich mich nicht darauf verlassen wollen,
dass der Apport ausreicht um sie zurück zu bringen. Wir
vereinbarten dann bei nächster Gelegenheit einen Boron-Tempel
zu informieren, der sich darum kümmern sollte. Notfalls heuern
wir einfach selber im nächsten Gasthof ein paar Abenteurer
für die Bergung an und lassen uns das Ding direkt nach Armida
liefern.
Die Echsen warteten bereits ungeduldig als wir zurück zum
Lager kamen. Die konnten es wohl kaum abwarten, das Zepter wieder an
seinen angestammten Platz zu bringen. Sollte es nicht bald
zurück sein, würde der Leviatanim sterben. Ich musste
mich sehr beherrschen, daraufhin nicht auf einem Abstecher nach Tuzak
zu bestehen oder einen ähnlichen Umweg zu verlangen. Ehrlich
gesagt war ich aber auch sehr darauf aus, die neunmal verfluchte Insel
endlich endgültig hinter mir zu lassen.
Nun überraschten sie mich, als der Kristallomant einen Zauber
wirkte, der es uns allen ermöglichte ohne jede
Ermüdung den ganzen Tag durch den Dschungel zu rennen.
Pflanzen und Tiere hinderten uns nicht und keiner von uns wurde von
irgendwas gebissen oder gestochen. Ein traumhaftes Erlebnis!
Aus dem Kristallomanten konnte ich herausbekommen, dass es sich um eine
sehr astralenergie-intensive Kombination dreier Sprüche
handelt. Eine Eigenentwicklung auf die er sehr stolz war.
„Das Rennen des Echs“ (vermutlich der elfische
Movimento) plus „Leib des Humus“ plus
„Echs ist Eins mit Natur“. Keiner der
Sprüche war mir bekannt, und so wirklich lernen wollte ich
diese auch nicht.
Nach vier Tagen mit nur kürzesten Pausen erreichten wir
Ssel’Althach.
13. Rondra
Ruinen von Ssel’Althach
In den Ruinen trat uns aus dem riesigen Portal der drei Schritt
große, hässliche Riesenfrosch, den die Echsen als
Hüter eines der Siegel von Akrabaal bezeichneten, in
Begleitung zweier Achaz-Krieger entgegen. Sein Körper war mit
frisch aussehenden offenen Wunden übersäht. Laut
unseren geschuppten Führern waren dies die Wunden aus dem
Kampf gegen die Paktierer, die nicht heilen würden, bis seine
Krieger-Ehre wieder hergestellt war. Ein seinen feuchten
Patsch-Händen hielt er eine riesige, monströse
Echsen-Axt mit zahlreichen Haken, Dornen und Klingen.
Einer der Echsen-Krieger dolmetschte die Rede des
N’Chriss’Zhay ins Garethi, wobei er allerdings
einige Bezeichnungen sehr diplomatisch übersetzte. Aus
„die ekligen Weichmaden“ wurde so zum Beispiel ein
einfaches „ihr Menschen“.
Ich übergab dem Frosch das Zepter und wollte mich gerade zum
gehen wenden, als er irgendetwas von „Ehre
wiederherstellen“ quakte und die Luft um uns herum
plötzlich rot aufleuchtete. Bevor ich reagieren konnte, fand
ich mich auf den Rängen einer riesigen Arena aus Stein wieder.
Über mir leuchtete ein roter Himmel, offensichtlich
waren wir in einer Minderglobule.
Im Sand der Arena standen sich der riesige Froschkrieger, nun mit einem
bösartig aussehenden Speer und Thallian mit seinem Rondrakamm
gegenüber. Zwar waren immer noch die alten Wunden des
Leviatanim zu sehen, doch er wirkte fast erholt und kraftgeladen.
Um uns herum tauchten hunderte von Echsen auf den Rängen auf.
Achaz, Maru und noch hässlicheres geschupptes
Gezücht. Sie begannen sofort ihren Champion anzufeuern und die
„Weichmade“ mit Essensresten zu bewerfen. Zum
Glück erreichte kein Wurf das weit entfernte Ziel.
N’Chriss’Zhay erklärte kurz etwas
über das Dha’Churrisch, das Duell zur
Wiederherstellung der Ehre. Aufgrund vieler mir unbekannter Begriffe
konnte ich meinen Gefährten allerdings nur ein ratloses
Schulterzucken statt einer Übersetzung bieten.
Der Riesenfrosch verbeugte sich in alle Richtungen und dann
gegenüber Thallian. Als dieser die Verbeugung gerade
erwiderte, sprang der Leviatanim schon in einem riesigen Satz auf ihn
zu. Ein fieser Tritt schleuderte meinen Gefährten durch die
Arena, wo er keuchend liegen blieb. Der Frosch blieb statt nachzusetzen
stehen und ließ sich von der Menge feiern, während
er seinen Speer über den Kopf hielt.
Thallian rappelte sich benommen auf und schien auf sein Schwert gebeugt
etwas zu murmeln. Danach richtete er sich mit neuer Energie auf und
stürmte seinem Gegner entgegen.
Den ersten Schwerthieb parierte der Echs, indem er Thallians Arm mit
seinem langen Arm am Schwert vorbei packte und ablenkte. Er
hätte den Schlag sicher auch parieren können.
Seltsam, mit dem Speer und seiner überlegenen
Größe hätte er Thallian lässig auf
Abstand halten können. Dieser hätte es sehr schwer
gehabt, an seinen Gegner überhaupt heran zu kommen, wenn
dieser es darauf angelegt hätte. Aber der Frosch konterte
entweder waffenlos oder eng am Körper mit dem Speer.
Nun begann er jedoch mit einem bedrohlich aussehenden Ausfall. Hieb um
Hieb prasselte auf Thallian nieder, der allerdings alles gekonnt
parierte.
Danach hüpfte er ein Stück zurück und
wirbelte den Speer lässig mit einer Hand über dem
Kopf, während er Thallian mit der anderen Hand zu sich her
winkte.
Unser Geweihter wurde derweil immer wütender. Offenbar hatte
er deutlich das Gefühl verspottet zu werden. Mit hochrotem
Kopf stürmte er mit seinem Rondrakamm über dem Kopf
wirbelnd auf seinen Gegner zu. Dieser sprang ihm aus dem Stand entgegen
und traf ihn mit einem Sprungkick mit den Beinen am
Oberkörper. Thallians Rondrakamm wirbelte durch die Luft,
während er selber meterweit durch die Arena flog und
schlitternd zum Stillstand kam.
Wieder posierte der Frosch für das Publikum, das in
frenetischem Jubel ausbrach. Diese Atempause nutzte Thallian um sein
Schwert wieder zurück zu holen, um dann sofort wieder mit
einem Sturmangriff zurück zu rennen. Wieder hüpfte
ihm der Riesenfrosch entgegen, diesmal aber mit zum Stoß
erhobenem Speer. Ein tödlicher Angriff!
Mit einem mörderischen Krachen trafen die beiden Krieger
aufeinander. Der Speer bohrte sich in Thallians Schulter,
während sein Schwert ebenfalls eine riesige Wunde riss. Unser
Geweihter schien die hässliche Wunde nicht einmal zu bemerken,
während sein Gegner sichtbar das Gesicht verzog. Als er mit
dem Speer dann wieder ausholte, war ihm allerdings ebenso wenig eine
Beeinträchtigung seiner Kampfkraft anzumerken wie unserem
Geweihten.
Thallian steigerte sich langsam in einen Kampfrausch. Hieb um Hieb
wirbelte auf den Leviatanim nieder, der jedoch alles mit dem Speer
parierte oder mit lächerlich wirkenden Sprüngen
auswich. Als Thallian ihn nach fast einem Dutzend Hieben einmal
verfehlte, warf er ihn mit einem Tritt seines absurd langen Beines zu
Boden, sprang dann überraschend ein paar weite Hüpfer
zurück und posierte wieder für das Publikum. Ohne
sich um seinen, sich wieder keuchend aufrappelnden, Gegner zu
kümmern, drehte er Thallian den Rücken zu und nahm
die Anfeuerungen und Jubelrufe der echsischen Zuschauer entgegen. Die
Buh-Rufe meiner Gefährten verhallten ungehört.
Unser Rondra-geweihter Freund scharrte mit den Füßen
wie ein wütender Stier und stürmte dann wieder laut
brüllend auf seinen Gegner zu. Doch der Leviatanim ignorierte
ihn und wandte ihm weiter den Rücken zu. Entweder wollte er
ihn verspotten, oder er war zu sehr in den Jubel des Publikums
verliebt.
Näher und näher stürmte Thallian, jeden
Moment rechnete ich damit, dass der Riesenfrosch herumwirbeln und den
Angriff geschickt parieren würde. Kurz bevor er in Schlagweite
kam, sah ich einen Ausdruck der Verwirrung und des Zweifels in das
Gesicht meines Gefährten treten. Der Leviatanim ignorierte ihn
einfach!
Nun würde Thallian nichts anderes übrig bleiben, als
seinen Angriff abzubrechen und irgendwie anzuhalten, ohne gegen den
geschuppten Hintern seines Gegners zu prall... …doch was war
das? … Er schlug zu! … Er schlug
tatsächlich zu! … Ein weit ausgeholter Hieb traf
den Gegner am Bein und riss eine tiefe Wunde.
Die eben noch jubelnde und tobende Menge verstummte mit einem Schlag.
Stille senkte sich über die Arena. Der Leviatanim drehte sich
nun endlich um und starrte völlig ungläubig zuerst
auf sein Bein und dann auf seinen Gegner.
Thallian starrte auf sein Schwert, als ob es ihn eben verraten
hätte. Das Blut wich ihm aus dem Gesicht, und seine Hand fuhr
zu der Wunde an seiner Schulter, als würde er sie erst jetzt
bemerken.
Neben mir konnte ich das verwirrte Getuschel meiner Gefährten
hören. DeLinth räusperte sich: „Das habe
ich gerade nicht wirklich gesehen oder?“ Mahajin schlug die
Hände vor sein Gesicht und Salix war tatsächlich die
Luft weggeblieben. Selbst Firunja war sichtlich erbleicht.
Ich konnte es ebenfalls nicht glauben. Thallian musste von
Dämonen besessen sein oder ähnliches!
Natürlich, Besessenheit oder ein übler Zauber. Sofort
aktivierte ich meinen Rubinblick. Auf diese Entfernung würde
ich zwar keine genaue Analyse vornehmen können, aber...
Blendender Schmerz durchschoss meinen Kopf vom Augapfel bis zum
Hinterkopf und dann weiter bis in die Zehenspitzen. Die magische Aura
hier war so stark, dass ich sofort das Bewusstsein verlor und
ohnmächtig vom Stuhl glitt.
Als ich unter dem fürsorglichen Tätscheln von Firunja
wieder zu mir kam, schoss ich sofort hoch und sah mich um. Ein heftiger
Schwindelanfall hätte mich beinahe sofort wieder zu Boden
geschickt, aber mit krampfhaftem Griff konnte ich mich an dem Sitz vor
mir festhalten.
In der Arena bot sich mir ein unglaublicher Anblick: Armant DeLinth
stand mitten in der Arena und sah interessiert zu, wie sich zwei
riesenhafte Leviatanim einer mit einem gigantischen Schwerter, der
andere mit einer noch furchteinflösenderen Echsenstreitaxt,
duellierten. Hektisch blickte ich mich um. Alle meine
Gefährten saßen um mich herum, nur Thallian fehlte.
Dieser Narr! Ich schlug mir an die Stirn und rief, in dem vergeblichen
Versuch das Getöse der anderen Zuschauer zu
übertönen, in die Arena: „DeLINTH! Du NARR!
Was hast Du jetzt wieder angestellt! Du kannst Thallian doch nicht
einfach in einen Leviathan verwandeln! Die Nebenwirkungen des Salanders
in einer so starken Aura sind doch gar nicht absehbar.“
Firunja zog mich zurück und beruhigte mich. Abwechselnd mit
Salix, der von der anderen Seite auf mich einredete, informierte sie
mich über die Ereignisse die ich verpasst hatte:
Nach dem hinterhältigen Schlag von hinten hatte der
Riesenfrosch seinen immer noch unter Schock stehenden Gegner
widerstandslos entwaffnet und ihn mit verächtlicher Geste in
die Ränge teleportiert. Dann hatte er den Rondrakamm in einen
Ring gebogen und aus der Arena weggeschleudert.
Er muss auch eine längere Rede zum Thema N’Churr,
also „Kriegerehre“,
„Dha’Churrisch“ als „Zweikampf
zur Wiedererlangung der Kriegerehre“, dem „Kampf
bis zum 2 ½ ten Blut“ gehalten haben, aber da ich
nicht da war und DeLinth mit dem Akzent nicht zu Recht kam, hatten
meine Gefährten nur eine vage Ahnung wovon er redete.
Jedenfalls hatte Thallian offenbar nicht nur gegen seinen eigenen
Ehrenkodex, sondern auch gegen den des Kr'Thon'Chh verstoßen.
Mit einer einfachen Geste hatte der Riesenfrosch anschließend
DeLinth in die Arena hinunter teleportiert. Seinen Speer hatte er in
die Höhe gehoben, woraufhin sich dieser in eine Peitsche mit
neun Schwänzen verwandelt hatte. DeLinth nutzte die
Gelegenheit, um das von mir erschaffene Schutzartefakt zu aktivieren.
Von seiner Astralenergie gespeist, würde es ihm denselben
Schutz wie eine Plattenrüstung verleihen.
Offenbar hatte der Leviatanim vorgehabt, seinen Gegner einfach durch
die Arena zu peitschen. Da war er aber an den falschen geraten! Sein
Flammenschwert aktivierend drang DeLinth auf ihn ein. Die
Peitschenhiebe prallten wirkungslos gegen den Schutz der Magie des
Erzes.
Überrascht machte der Leviatanim ebenfalls eine Geste, die ich
nur als Armatrutz Variante interpretieren konnte. Nur offenbar nicht so
wirkungsvoll. DeLinths Schwert kam durch und riss eine rauchende Wunde.
Offenbar verhindert sein eigener Kriegerkodex, dass der Leviatanim
Magie einsetzt solange sein Gegner dies nicht auch tut.
Erneut hob der Riesenfrosch seine Waffe über den Kopf. Nun
wurde sie zu einem mächtigen Kampfstab. Ob er eine vielfach
beschleunigte Transformatio Variante einsetzte? Ein mit weiten
Sprüngen beginnender Sturmangriff durchbrach DeLinths Schutz
und ließ ihn zehn Meter durch die Luft wirbeln. Blut spritzte
von seinen Lippen als er wieder hoch kam.
Salix meinte, Thallian sei zu diesem Zeitpunkt, trotz aller Versuche
von Firunja, nicht ansprechbar gewesen und hätte nur vor sich
hin gestarrt.
Nun wurde der Stab der Echse zu einem riesigen gezackten Speer. Ein
weiterer Sprung, ein Stoß und DeLinth war an den Boden der
Arena genagelt.
An dieser Stelle kam dann plötzlich wieder Leben in unseren
Krieger. Er stürzte sich rücksichtslos die sicher 5
Meter von der Zuschauertribüne zum Arenaboden hinunter. Wie
durch ein Wunder ohne sich zu verletzen. Unbewaffnet rannte er
brüllend durch die Arena: „ICH habe gefrevelt! Lass
nicht meinen Gefährten für meine Taten
büßen! Nimm mich!“
Der Arm des Echsenwesens hob sich, der Speer stieß auf
DeLinth hinunter. Und verfehlte ihn um eine Handbreit. Der Leviatanim
drehte sich zum herbei eilenden Thallian um.
„Ichh daccchhte Du hhaaben Ehhre. Icchh dachhhte Du
kämpfen im Dha’Churrisch, bis zum 2 1/2ten Blut.
Aber Du verssssagt haben. Du Unwürdig. Wasss Du noccch hier
wollen?“
"Ich will kämpfen! Nach Deinen Regeln und mit allen Waffen die
Du mir zugestehst.", waren die doch eher zaghaften Worte meines
Gefährten.
Der Frosch lies seine Zunge abfällig durch die Luft zischen.
"Du niccchhht verssstehen. Du können kämpfen mit
wasss Du haben."
Daraufhin muss Thallian seinen lächerlich kleinen Dolch
gezogen und angegriffen haben. Der Riesenfrosch erhob ein lachendes
Quacken, die Arena voller Echsenwesen schloss sich an.
"Wenn Du meinen damit antreten zzzu müssssen, Deine
Entsssccheidung. Dein Wille zzzählt."
DeLinth hatte sich derweil aufgerafft und warf Thallian seinen Stab zu.
"Nimm den, das ist besser als nichts!" Der Stab flog über 30m
durch die Luft und blieb griffbereit neben Thallian in der Luft
schweben. Salix meinte, er hätte Thallians Gehirn bis zur
Tribüne knirschend anlaufen hören, als dieser den
schwebenden Stab anstarrte. Er nahm ihn und meinte dann
zögernd: "Ein Schwert wäre besser."
Der Stab verschwamm und Thallian hielt ein Schwert in der Hand. Und was
für ein Schwert! Ein riesiges Echsenschwert mit Haken, Riffeln
und Zacken. Am besten hätte man es als Vier-Händer
bezeichnen können. Selbst für den drei Schritt
großen Leviathanim wäre es ein Zweihänder
gewesen. Natürlich war es so schwer, dass Thallian es kaum
halten konnte und die Spitze prompt in den Staub der Arena krachte.
Der Riesenfrosch nickte: "Du langsam begreifen."
Nach einem kurzen Schlagabtausch, bei dem Thallian das Riesenschwert
kaum unter Kontrolle halten konnte, trat er wieder einen Schritt
zurück. Der Echs wartete ab. Thallian konzentrierte sich.
Langsam wuchs er, wandelte sich. Schuppen überzogen seine Haut
und ein langer Schwanz erschien. Augenblicke später standen
sich zwei gewaltige Leviatanim gegenüber.
Zu diesem Zeitpunkt war ich dann wieder zu Bewusstsein gekommen.
Während meine Gefährten mich auf den aktuellen Stand
brachten, hatten die beiden Riesen in der Arena nichts mehr
zurück gehalten. Schlag folgte auf Schlag. Parade auf Parade.
Einmal prügelten die beiden sogar mit Schwanzhieben
aufeinander ein, was für Thallian sicher ein recht ungewohntes
Manöver war.
Das Publikum feuerte nach einer Weile beide Krieger ohne Unterschied
an. Nun hatte die "Weichmade" also endlich die Regeln des
Dha’Churrisch verstanden! Um mich herum konnte ich einige
Diskussionen der echsischen Zuschauer durch den Lärm
hören. Man war sich sichtlich uneins, ob der Leviathanim nicht
zuerst unehrenhaft gehandelt hatte, indem er Thallian nicht
über die Fähigkeiten der Arena informiert hatte. Das
Ehrenduell sah eine solche Aufklärung nicht vor, aber alle
Einwohner von Akrabaal waren natürlich informiert. Von dem
unzivilisierten Fremdling zu erwarten selber darauf zu kommen, war wohl
etwas viel verlangt.
Ohne Gnade hieben die beiden Riesenechsen weiter wild aufeinander ein.
Blut spritzte in hohem Bogen in den Sand. Nach einem besonders heftigen
Schlagabtausch hüpfte Thallian ein paar Schritte
zurück und winkte seinem Gegner auffordernd mit einer Hand zu.
Der Leviathanim nickte und beide stürmten aufeinander los. Das
Zusammentreffen ließ ein Krachen durch die Arena
tönen, bei dem selbst die Echsen neben mir das Gesicht
verzogen. Beide Gegner hatten auf die Parade verzichtet und sich auf
den Angriff konzentriert. Blutüberströmt brachen sie
nebeneinander zusammen.
Ein letztes Jubelruf des Publikums lies meine Ohren schmerzen, dann
waren wir auf einmal in der Arena allein. Rotes Licht leuchtete wieder
auf, dann verschwand auch die Arena um uns herum.
Wir fanden uns auf der Lichtung in den Ruinen von
Ssel’Althach wieder. Schnell stürzten wir uns
natürlich auf die beiden Verletzten. Doch im Licht der gelben
aventurischen Sonne, erschienen die eben noch tödlichen Wunden
nicht mehr so schwerwiegend.
Kaum waren wir mit dem Verbinden fertig, kamen die drei Achaz aus dem
Gebüsch. Trotz des unterwürfigen Verhaltens war mir
klar, dass sie uns schnellstens loswerden wollten. Dazu schenkten sie
uns Kristalle, die uns ermöglichen würden, in vier
Tagen ungehindert durch den Dschungel bis nach Tuzak zu rennen. Dort
würden wir dann endlich Fürst Herdin und Kommissar
von Wiedbrück treffen und diese ganzen lästigen
Probleme mit den Steckbriefen aus der Welt schaffen. Im Hinterland
konnte man vielleicht ungehindert gefälschte Steckbriefe
verteilen, aber in der Hauptstadt würde die ja bald jemand
sehen der uns kannte und dies nachprüfen würde. Dort
würden wir dann Bericht erstatten und endlich heimreisen
können.
17. Rondra – 18. Rondra 26 Hal
Tuzak
Meine Hoffnungen haben sich leider nicht bewahrheitet. An jeder
Straßenecke starren uns Steckbriefe von uns entgegen. Die
Belohnung ist inzwischen auf 1000 Dukaten pro Mann gestiegen. Tot oder
Lebendig. Mit tief verhüllten Gesichtern schlichen wir uns des
Nachts bis zum außerhalb gelegenen Boron-Tempel. Hier hofften
wir Hilfe und Informationen zu finden. Die Hochgeweihte Donna Fiorella,
die "Bewahrerin der Nacht" nahm uns hilfsbereit auf und brachte uns auf
den aktuellen Stand. Der Fürst verhält sich
höchst ungewöhnlich. Die Seeblockade wurde immer
weiter verschärft, das Volk unterdrückt. Die
Diskusstafette, ein wichtiges Ritual der Einheimischen, das am 19.
Rondra stattfinden sollte, war zum zweiten Mal auf Annordnung von
Kommissar von Wiedbrück untersagt worden. Aufstände
wurden mit brutaler Gewalt unterdrückt, zahlreiche Zivilisten
waren bereits zu Tode gekommen. Die "Wipfelläufer" waren fast
komplett in eine Falle der Armee geraten und seither nicht mehr gesehen
worden.
Wir selbst wurden aktiv gesucht. Hausdurchsuchungen waren an der
Tagesordnung und sogar vor den Tempeln machte man nicht halt.
Sie zeigte uns auch die Köpfe der KGIA-Agenten die angeblich
von den Rebellen ermordet worden waren. Auf der Stirn war das Zeichen
des Haranydad eingeprägt worden. Mahajin, oder sollte ich
vielleicht besser Leomar sagen, schüttelte nur verwirrt den
Kopf. Das Haranydad hat keine Zeichen oder Symbole. Und das komische
Diskuszeichen hat er noch nie gesehen.
Magische Untersuchung ergab, dass die Agenten allesamt durch
borbaradianische Magie gefoltert worden waren. Die Zeichen wurden dann
den Leichen mit dem "Hartes Schmelze" eingraviert.
19. Rondra
Der Ausfall der Diskusstafette hat zu weiteren Aufständen
geführt. Die Reichstruppen sind überall. Wir entkamen
gerade noch rechtzeitig aus dem Boron-Tempel um einer Durchsuchung zu
entgehen. Donna Fiorella vermittelte uns an den Rebellen
Scheïjian von Tersschoggyn, dessen Onkel hatten wir in dem
netten Kleinen Dorf mit der Hochzeit kennen gelernt. Er war sehr
erfreut, als wir ihm die Grüße ausrichteten.
Als jedoch eine 2-Mann Patrouille (ohne Rückendeckung)
überraschend sein Haus durchsuchen wollte, konnten wir kaum
mit den Augen blinzeln, wie schnell er die beiden Soldaten jeweils mit
einem Stilett-artigen Dolch in den Hals gestochen und getötet
hatte! Lautlos brachen die beiden zusammen, während er nur ein
leises „Begegnet der Schwester“ zwischen
den Zähnen durchpresste.
Während wir noch ungläubig starrten, verbeugte er
sich vor uns und stellte sich vor, „Scheïjian von
Tersschoggyn, achtbares Mitglied der Bruderschaft vom Zweiten Finger
Tsas. Ihr werdet dieses Geheimnis achten und wahren oder
sterben.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.
Sogar den sonst so selbstbeherrschten DeLinth, sah ich bei diesen
Worten unbehaglich schlucken.
Er informierte uns, dass wir unter dem Schutz der Bruderschaft
stünden und von ihr versteckt werden würden. Immer
wieder wurden wir an den folgenden Tagen zu unterschiedlichsten Zeiten
in neue Verstecke in der Stadt gebracht. Unsere Wünsch und
Fragen wurden meist nicht zur Kenntnis genommen oder schlicht nicht
beantwortet. Doch wir mussten dankbar sein, ohne Hilfe des
örtlichen Widerstandes hätten uns die Suchtrupps
schon bald aufgespürt.
21. Rondra
Die Hochgeweihte ließ uns mitteilen, dass sie mit Hilfe der
"Göttlichen Verständigung" Kontakt mit dem Tempel in
Gareth aufnehmen konnte. Auch das Oberkommando in Gareth hat den
Kontakt mit Maraskan verloren. Über die aktuellen
Vorgänge ist man höchst besorgt. Anfang Efferd sei
mit Verstärkung zu rechnen. Es wird uns wohl nichts anderes
übrig bleiben, als den Herrscherpalast zu stürmen und
Fürst Herdin fest zu nehmen. Ob er unter magischer Kontrolle
steht oder einfach übergelaufen ist, werden wir dann erst
hinterher klären können.
Ein blutiger Kampf steht uns bevor, auf den wir uns nun jedoch
zumindest in Ruhe vorbereiten können.
23. Rondra
Nach dem Aufladen aller Artefakte und dem Füllen der
Stabspeicher, habe ich für Thallian ein neues Schwert besorgen
lassen. Er selbst kümmert sich im Moment um nichts
außer seinen Gebeten und seine Meditation. Scheïjian
besorgte mir unter anderem Gravierwerkzeug, mit dem ich die Zeichen
für den Applikatus anbringen werde. Armatrutz Artefakte, die
jederzeit vor der nächsten Sonnenwende ausgelöst
werden können, sollten uns im Kampf gute Dienste leisten.
Außerdem wollte ich noch einen Matrixgeber für einen
gestapelten Gardianum und evtl. noch andere Kleinigkeiten vorbereiten.
Mahajin ist von seinem bisherigen Vorbild schwer enttäuscht
und hat beschlossen den Rondra-Tempel heimlich aufzusuchen, um das
Bastardschwert, Thallian für ihn geweiht hatte, zu spenden, da
er überzeugt zu sein scheint, dass es Unheil anzieht. Ich
verstehe seine Logik nicht ganz. Wenn er immer in der ersten Reihe
kämpft, kann er sich doch schlecht beschweren, dass er immer
als erster einen Treffer einfängt. Krieger sind einfach alle
wirr im Kopf.
25. Rondra
Mahajin kam heute erst spät in der Nacht wieder in unser
aktuelles Versteck über einem Gemischtwarenladen
zurück. Er hatte den Rondra-Tempel ohne Aufsehen zu erregen
erreicht, Während er noch mit der Geweihten sprach, trat eine
Patrouille unter Leutnantin Jendesa von Tuzak ein und begann trotz
aller Proteste mit einer Durchsuchung. Als ein Soldat Mahajins Kapuze
zurück schlug, wurde er natürlich sofort erkannt.
Ein Dolchstoß entledigte ihn seines Entdeckers, aber als er
durch die Seitentüre flüchtete, hatte er nur wenig
Vorsprung. Hätte ihn nicht ein hilfsbereiter Bürger
in sein Haus gezogen und im Schuppen in einem alten Fass versteckt,
wäre er mit Sicherheit gefangen worden.
Hilflos musste er mit anhören, wie die ganze Straße
durchsucht und die Einwohner brutal misshandelt wurden. Als wieder Ruhe
einkehrte und er sich bei seinen Rettern bedanken wollte, fand er nur
noch die Leiche des alten Mannes in seinem Wohnzimmer liegen. Ein
weiterer "Unfall auf der Klinge" wie die offiziellen Stellen die
zivilen Verluste nennen.
28. Rondra
Die Stimmung in den Straßen wird immer angespannter.
Aggression liegt in der Luft. Die Soldaten trauen sich nur noch in
großen Truppen in die Stadt, da zuletzt eine komplette
Patrouille mitten in der Stadt spurlos verschwand.
Selbst die Einheimischen, die sich seit Jahren mit der Besatzungsmacht
herumärgern müssen, sind von der
zunehmenden sinnlosen Brutalität überrascht. Tote und
Verletzte nach Durchsuchungen sind an der Tagesordnung.
Kontakte unter den Rebellen sind kaum noch zu finden, die meisten
verstecken sich.
Wir wurden vom Boron-Tempel informiert, dass die Verstärkung
am Abend des 07. Efferd eintreffen wird. Diese wird in einer kleinen
Bucht nördlich von Tuzak an Land gehen. Wir sollen dort
warten. Wer oder wie viele Soldaten geschickt wurden, oder ob gar
Kampf- oder Bann-Magier dabei sind, wissen wir nicht. Wir
können nur das Beste hoffen – und zu den
Zwölfen beten, dass es ausreichen wird.
01. Efferd 26 Hal
Nach langem Zögern hat DeLinth beschlossen doch noch zu
versuchen, Ausrüstung und evtl. auch Unterstützung,
in der örtlichen Magierakademie zu erhalten. Die "Schule des
Wandelbaren zu Tuzak" ist auf Verwandlung von Lebewesen
beschränkt und sollte bei der hiesigen Vielfalt an Zutaten
auch über ein gut ausgestattes alchemistisches Angebot an
Elixieren verfügen.
Waffen kann er nicht mitnehmen, ohne auf der Straße sofort
aufgegriffen zu werden, daher hat Salix sich bereit erklärt,
ihn zu begleiten. Er kann sich schließlich, selbst wenn er
nur mit seinen versteckten Dolchen bewaffnet ist, gut seiner Haut
wehren.
Die letzten Tage haben beide damit verbracht, ihre Tarnung zu
optimieren. DeLinth hat seinen Bart rasiert und den Flechten erlaubt
sich auch in seinem Gesicht breit zu machen. Der Anblick ist wahrhaft
gruselig. Damit wollte er sich als Händler ausgeben, der sich
im Dschungel eine weitere eklige maraskanische Krankheit eingefangen
hat und nun Hilfe sucht. Salix spielte den Leibwächter und
Diener.
Nach knapp drei Stunden erschienen die beiden mit einem leisen Knall
plötzlich wieder mitten in unserem Versteck. Der Transversalis
hatte ihnen wohl gerade noch das Leben gerettet.
Salix erzählte dann, wie immer übertrieben dramatisch
und mit Gesten, vor denen wir einige zerbrechliche Gegenstände
in dem engen Kellerversteck in Sicherheit bringen mussten, ihre
Geschichte.
Mit einem geheimen Zeichen der Rebellen gaben sie sich in der Akademie
den dort offenbar recht zahlreichen Sympathisanten zu erkennen. Einer
davon, ein junger Magus namens Torben Dergeler, erkannte das Zeichen
und führte sie durch die Akademie. Hier mussten wir Salix
mehrfach unterbrechen, da er sich kaum zurückhalten
ließ über die vielen Kinder und Familienmitglieder
zu erzählen, die sich in der Akademie herumtrieben. Ich muss
ihm allerdings zustimmen. In einem solchen Chaos einen Lehrbetrieb
aufrecht zu erhalten, muss schier unmöglich sein. Preiset die
einmalige maraskanische Klugheit.
Jedenfalls kamen die beiden dann zur Spektabilität Jandon
Bluugh, der wohl ebenfalls ein heimlicher Rebellenfreund ist.
Während DeLinth ihm die schockierenden Ereignisse schilderte
und dankbar zwei Heiltränke und einen Zaubertrank mittlerer
Qualität entgegennahm, wanderte Salix gelangweilt von Fenster
zu Fenster.
Während DeLinth mit versteinertem Gesicht vor sich hin
starrte, erzählte Salix wie er dann vergeblich versucht hatte,
seinen Gefährten zu unterbrechen und ihn darauf aufmerksam zu
machen, dass er im Hof unten niemand anderen als Rayo Brabaker entdeckt
hatte! Wie üblich ließ ihn mein Freund nicht zu Wort
kommen und befahl ihm kurz angebunden sich nicht in das
Gespräch von Spektabilitäten einzumischen. Erst ein
lautes, fast schon verzweifeltes: "Rayo Brabaker ist im Hof!" weckte
seine Aufmerksamkeit.
Ans Fenster springend sah er nur noch den leeren Kasernenhof. Im
nächsten Moment marschierte allerdings schon ein gesamtes,
schwer bewaffnetes Banner der Drachengarde unter Leutnantin Jendesa von
Tuzak durch das Tor der Akademie und begann unverzüglich mit
einer Haus- und Campus-Durchsuchung. Offensichtlich waren auch aus
anderen Eingängen Gardisten einmarschiert, denn auch im Gang
vor der Türe waren bereits genagelte Stiefel zu
hören. DeLinth schnappte sich Salix und transversalierte
kurzerhand in unser Versteck.
Nachdem sich alles wieder etwas beruhigt hatte, begannen im Raum
zahlreiche Diskussionen, als meine Gefährten versuchten die
Ereignisse zu deuten. Ich war derweil noch mit der Fertigstellung einer
Arkanoglyphe für den Applikatus beschäftigt. Den
ganzen Nachmittag hatte ich schon damit verbracht die runde
Gürtelschnalle zu gravieren, die später einen
einmalig wirkenden Armatrutz aufnehmen sollte.
Bevor ich noch die letzten feinen Striche vollenden konnte, knallte
plötzlich die Kellertüre auf. Meine Hand rutschte von
der ungewohnten Arbeit ab und vernichtete das Werk von drei Stunden.
Unser Rebellenfreund Scheïjian von Tarschoggyn
stürmte atemlos herein und informierte uns, dass die
aufgestellten Posten der Rebellen eben bemerkt hatten, dass Gardisten
begonnen hatten unser Viertel unauffällig zu umstellen. Es
konnte nur noch wenige Augenblicke dauern, bis die ersten
Hausdurchsuchungen begannen. Meinen Ärger sofort vergessend,
packte ich wie alle meine Gefährten meine wenigen
Habseligkeiten und folgte ihm aus dem Keller hoch und durch die
Hintertür.
Hier rannten wir direkt in eine vierköpfige Patrouille der
Adlergarde, die sofort in Kampfstellung ging. Für subtile
Aktionen war keine Zeit, da in den umliegenden Straßen
bereits Marschschritte erklangen. DeLinth hob kurzerhand die Faust und
rief "Horriphobus!" woraufhin drei von ihnen schreiend die Flucht
ergriffen. Der letzte stellte sich zum Kampf. Während Mahajin
vorstürmte um ihn zum Zweikampf zu stellen, wirbelte Salix
blitzschnell an ihm vorbei und lies einen Dolch aufblitzen. Ein
tödlicher Stich an der Rüstung vorbei in die Achsel
des erhobenen linken Armes. Röchelnd brach der Gardist
zusammen.
Ohne unseren Führer hätten wir nie im Leben so
schnell durch die engen Gassen Tuzaks gefunden, ohne in eine Sackgasse
zu geraten. Endlich hatten wir unsere Verfolger abgehängt und
fanden einen weiteren Unterschlupf am Stadtrand.
2. Efferd 26 Hal
Scheïjian forderte uns auf, weitere Ausflüge in die
Stadt zu unterlassen, da es zu gefährlich sei. Als wir
protestierten erklärte er uns, dass gestern zwei Familien aus
der Straße in der wir uns zuletzt versteckt hatten,
wegen "Kollaboration mit gesuchten Verbrechern" hingerichtet worden
waren. Männer, Frauen und Kinder. Eine der Familien
hatte seiner Meinung nach nicht einmal etwas mit uns zu tun gehabt.
Die Nachricht ging uns allen sehr nahe. Unsere bloße
Anwesenheit hatte nun schon etlichen Bürgern das Leben
gekostet. Ich hoffe ich kann Brin überzeugen, die Besetzung
der Insel aufzugeben. Das macht hier einfach alles keinen Sinn.