Aus dem Tagebuch des Magiers Torben ibn Abdul:
27. Travia (Nachmittags)
Im Gasthof in Anderath
Zurück im Gasthaus in Anderath besprachen wir nochmals die
Sache mit Fredo und dem Goblin. Es war insgesamt sehr
merkwürdig. Wir beschlossen früh schlafen zu gehen,
um uns möglichst gut zu erholen und am nächsten Tag
nach Baliho weiter zu reisen.
Auch dort sollen Menschen verschwunden sein, und man erzählte
uns von einem Mörder, "Der Metzenschnitter" genannt, welcher
vor einigen Wochen mehrere Frauen umgebracht haben soll…
Nach zwei Tagen mit klarem Himmel, fängt es schon wieder mit
schneien an. Die schönen Winterpelze von Herzog Waldemar
hatten wir ja leider in der Scheune ausgezogen, um beim Kampf nicht
behindert zu werden. Bei dem plötzlich ausbrechenden Feuer
hatten wir dann leider keine Zeit, uns um unsere Kleidung zu
kümmern, so dass diese den Flammen zum Opfer fiel.
Die neuen Mäntel, die Thallian und ich Abends noch schnell
gekauft haben, sind zwar auch warm, aber lange nicht so gut wie die
alten. Natürlich mache ich DeLinth keine Vorwürfe
für seinen völlig übertriebenen
Flammenschlag, aber das hätte man sicher noch etwas besser
machen können…
28. Travia
Bei dem einfachen aber sättigenden Frühstück
erzählte DeLinth noch von einem merkwürdigen Traum
den er in der Nacht hatte. Blutstropfen die sich in Fleischfetzen
verwandelten die ihn den Berg hinauf verfolgten. Vermutlich
verträgt er einfach das fette Essen nicht.
Nach dem Frühstück brachen wir dann mit der Kutsche
nach Baliho auf. Die Reisedauer schätzten die Einheimischen
auf knappe 3 bis 4 Stunden.
Unterwegs trafen wir auf eine Elfe mit goldenen Haaren in der wir dann
im Vorbeifahren auch gleich die Elfe Shala Goldmond erkannten. Da sie
gerade nichts Wichtiges zu tun hatte, konnten wir sie
überreden, sich uns für eine Weile
anzuschließen. Endlich hatten wir damit auch einen guten
Spurenleser dabei! Das sollte auf jeden Fall noch nützlich
werden.
Ist ja wirklich hübsch anzusehen die Kleine, aber wenn die
nicht bald mit dem Gefasel von Nurdra und Murkri und diesem ganzen
elfischen Zeug aufhört, bekomme ich noch Kopfschmerzen.
In der Nähe von Anderath gingen wir einigen weiteren Opfern
nach. Während Shala im Schnee nach Spuren suchte, sprang mich
plötzlich ein widerlicher Goblin an. Muss eine Art Werwesen
gewesen sein, denn unsere Waffen zeigten fast keine Wirkung und da er
im hellen Tageslicht Angriff, kann er wohl kaum ein Vampir gewesen
sein. Wenn meine Gefährten mir nicht zur Hilfe gekommen
wären hätte er mich sicherlich erwürgt.
Wirksam war eigentlich nur der versilberte Borndorn, der die Kreatur
dann auch vernichtete. Seltsamerweise schien der Wer-Goblin
bei Analyse durch den Odem Arcanum nicht-magisch zu sein. Challabad!
Seit wann sind Wer-Wesen natürlich? Und was haben Wer-Goblins
mit geierschnäbligen "Vampiren" zu tun? Hesinde schenke mir
Weisheit!
Vor der Weiterfahrt bat ich meine Gefährten Ihre Waffen auf
einen Haufen zu legen und beschwor einen Elementargeist des Erzes, der
eine dünne Schicht auf allen Metallwaffen für einen
Monat in Silber verwandelte. Werwesen sollten damit kein Problem mehr
sein.
28. Travia
Unterwegs nach Baliho
Unterwegs fing Shala dann vom Kutschbock aus an, sie hätte in
einer Hütte neben der Straße Gewimmer
gehört. Als ob man durch das Läuten der
Kutschenglöckchen irgendwas hören könnte.
Aus reiner Höflichkeit hielten wir an und schauten in die
offen stehende Bauernkate neben der Straße hinein. Offenbar
war jemand gestorben. Jedenfalls fanden wir im Keller eine
Bäuerin neben einem schweren Eichentisch mit einer
aufgebahrten Leiche darauf. Bevor wir sie noch befragen konnten,
stimmte sie ein herzzerreisendes Klagelied an. Untrainierte Stimme,
aber der improvisierte Text über die
Annäherungsversuche des verstorbenen Bauern (der wohl nicht
ihr Mann sondern ihr lüsterner Arbeitgeber gewesen war) hielt
uns doch irgendwie gefesselt. Schade dass ich mir den Text nicht
komplett merken konnte, aber sicher kann Salix irgendetwas
Ähnliches komponieren. Vielleicht könnte man sogar
ein Bühnenstück daraus machen?
Aber zur Sache: Noch mitten im Gesang, sprang der "tote" Bauer
plötzlich auf, fuhr lange Fangzähne aus und ging der
Bäuerin an die Kehle! Einen Moment erfüllte das leise
glucksen des ausgesaugten Blutes als einziges Geräusch den
Raum. Dann ertönten die üblichen Schlachtrufe und los
ging’s!
Thallian und Shala standen unten an der kurzen Treppe zu dem kleinen
Keller, Salix und ich dicht. Mehr Platz war in dem engen Raum nicht.
Boris, der vom Wagen her nachgerannt kam und DeLinth, der hinter mir
stand, hatten vorerst keine Chance, sich sinnvoll an dem ausbrechenden
Kampf zu beteiligen. Thallian ließ neben seinen
Anrufungen an Rondra wüste Flüche hören da
er seinen geliebten Zweihänder in dem engen Kellerraum
unmöglich schwingen konnte und daher auf sein normales Schwert
zurückgreifen musste.
Bevor wir richtig in Fahrt kamen, warf der Vampir uns die benommene,
halb ausgesaugte Bäuerin zu. Thallian warf sie nach hinten zu
Salix, der schubste sie die Treppe hoch, DeLinth in die Arme. Was der
tat bekam ich nicht mit, da der Kampf in diesem Moment richtig losging.
Der Vampir schlug mit einem Kurzschwert um sich, während
unsere beiden Krieger Mühe hatten irgendwas gegen ihn
auszurichten. Später stellten wir fest, dass dies auch damit
zusammenhing, dass der verdammte Vampir früher ein Soldat war
und unter seiner dicken Winterkleidung noch eine Lederrüstung
trug.
Da ich mich an Fredos Reaktion auf helles Licht erinnerte, sprach ich
als erstes einen Flim Flam in der Hoffnung, den Vampir damit in die
Ecke zu drängen und den Kampf mit minimalem Aufwand zu
entscheiden.
Leider war dieser Untote wesentlich Licht-unempfindlicher als erwartet.
Zwar schien er deutlich geblendet, aber ich und alle anderen Anwesenden
litten unter dem sonnenhellen magischen Licht fast genauso sehr. Shala
war offensichtlich aufgrund ihrer empfindlichen Elfenaugen so stark
behindert, dass sie sich kaum noch sinnvoll am Kampf beteiligen konnte.
Stattdessen versuchte sie dem Vampir ihren Mantel über den
Kopf zu werfen um Thallian dadurch einen leichteren Treffer zu
ermöglichen. Leider war der Vampir dazu viel zu schnell und
geschickt.
Der Kampf entwickelte sich zu einem wilden blinden Herumgeschlage, das
auch so lange anhielt, bis sich wieder alle Augen an die Helligkeit
angepasst hatten.
Inzwischen hatte Salix es geschafft sich ebenfalls in den Kampf zu
zwängen während ich mit meinem schwebenden
Flammenkhunchomer ohne Unterlass auf die Kreatur einschlug. All unsere
Bemühungen zeigten jedoch wenig Erfolg, da das Wesen die
meisten Schläge geschickt parierte und seine Wunden fast
ebenso schnell heilte wie wir sie schlagen konnten.
Weder unsere Silberwaffen noch der flammende Khunchomer zeigten
besonders viel Wirkung. Mein Borndorn verursachte trotz des
Kopftreffers nur einen Kratzer auf der Wange, den wir sofort wieder
heilen sahen. Salix verfehlte den Vampir ganz, da er seine Sichtlinie
noch zusätzlich durch meinen Flammenkhunchomer behindert war.
Die Kreatur dagegen landete immer häufiger böse
Treffer mit Ihrem Kurzschwert. Zum Glück konzentrierte sie
ihre Hiebe auf Thallian, der durch seine dicke Rüstung einiges
aushalten konnte.
Gerade als wir dachten, die Kreatur in der Ecke zu haben
stürzte Sie über den Tisch im Raum an Salix vorbei
direkt auf mich zu!
Salix Passierschlag völlig ignorierend stach mir der untote
Bauer mit seinem Kurzschwert zu. Panisch versuchte ich nach hinten zu
springen um durch die Kellertür nach oben auszuweichen. Zu
meiner Verzweiflung schlug ich jedoch voll mit dem Rücken
gegen die Kellertüre. Jemand hatte die Kellertüre
geschlossen! Eine Falle? Ein Hinterhalt? Wo war DeLinth der eben noch
hinter mir stand?
Ich war gefangen, hilflos in die Ecke gedrängt von einem
Vampir! Meine verzweifelten Rufe und auch die heftigen Schläge
meines Rückens gegen die Tür, als ich verzweifelt
versuchte den wilden Schlägen des Vampirs zu entgehen
verhallten ungehört.
Plötzlich jedoch wurde der Vampir von der silbrigen
Schutzkuppel eines „Schutzfeldes gegen Untote“
zurückgedrängt! DeLinth musste hinter der
Türe in meinem Rücken seine Magierkugel aktiviert
haben!
Die Kellertür öffnete sich und DeLinth trat ein, den
Magierstab mit seiner Kugel am oberen Ende vorgestreckt und
drängte den Vampir wieder in den Kellerraum zurück.
Von dem Schutzfeld zurückgeschoben, stachen Shala und Thallian
erneut auf den Vampir ein. Da startete der Vampir erneut einen Ausfall.
Diesmal wirbelte das Kurzschwert geworfen quer durch den Raum und traf
den erstaunten DeLinth mitten im Leib.
Trotz des schweren Treffers beendete er seinen Ignifaxius, doch der
Vampir duckte sich rechtzeitig unter den Tisch, so dass DeLinth nur
diesen ordentlich verkokelte. Ungläubig starrte er dann auf
die Klinge, die aus seinem Leib ragte.
Wieder setzten die drei Kämpfer dem Vampir zu und wieder
schien es unmöglich, der Bestie genügend Schaden
zuzufügen. Thallians Hiebe waren sehr machtvoll, aber am
meisten Wirkung zeigte noch mein wieder herumschwebender
Flammenkhunchomer, doch ich spürte, dass meine Kraft nur noch
für etwa drei Hiebe genügen würde.
Eine kreativere Lösung musste her. Mit einem kurzen Blick
orientierte ich mich und begann mit einem Zauber. Meine
Gefährten warfen irritierte Blicke herüber, als mein
Flammenschwert sich aus dem Kampf entfernte und zurück in
meine Hand schwebte, während ich leise murmelnd weiter in den
Keller trat und dem Kampf den Rücken zuwandte.
Da meine astralen Kräfte praktisch Erschöpft waren,
öffnete ich mit einer bewussten Willensanstrengung die
Verbotenen Pforten meines Geistes und meiner Seele. Bewusst riss ich
ein Loch in die Barriere, die die astralen Kräfte und die
reine Lebenskraft trennt.
Eine Linie schräg durch das Haus vom Himmel in die
ungefähre Richtung des Kampfplatzes andeutend, streckte ich
die Hände zur Decke und intonierte den Abschluss des
mächtigen Zaubers: "DESINTEGRATUS!"
Eine Welle der Macht wogte aus meinen Händen. Wie ein
Flammenstrahl durch Schnee schnitt sie durch Kellerdach, Holzboden,
Möbel, Mauern und die Decke der kleinen Bauernkate. Holz, Erz,
Stein, alles zerfiel urplötzlich zu Staub. Die Staubwolke
wogte durch den Raum und nahm uns den kurz den Atem.
Völlig verblüfft starrte der Vampir auf das Loch in
der Decke, in dem sich nun der Staub schnell lichtete. Sonnenlicht
strömte in das einstmals finstere Kellerloch. Die
Zwölfe waren mit uns, denn just in diesem Moment lichtete sich
die Wolkendecke und ein reiner Strahl lebensspendenden Lichts fiel
durch das Loch direkt in das Gesicht der untoten Kreatur. Einen
einzelnen Schrei grenzenloser Wut konnte er uns noch entgegen
schleudern, dann zerfiel er zu Staub.
Lange konnte ich mich jedoch nicht über unseren Sieg freuen,
denn nun forderte der Zauber, den ich mit meiner Lebenskraft gespeist
hatte, seinen Tribut. Tränen aus Blut strömten aus
meinen Augen und Blut spuckend brach ich auf der Stelle zusammen. Mit
letzter Kraft benutzte ich einen der Heilzauber, die ich in meinem
Stabspeicher immer bereithielt, und brachte mich so von der Schwelle
des Todes zurück. Grenzenlose Müdigkeit
übermattete mich und die Fragen von Shala ob ich Hilfe brauche
konnte ich wohl nur noch undeutlich beantworten. Ich denke ich sagte
etwas wie: "Nein nein, mir geht’s gut...".
Nachdem wir die Magd (mit dem passenden Namen "Magda") beruhigt hatten,
indem wir ihr großzügig von Boris’
Hochprozentigem einschenkten, ging es weiter nach Baliho.
Wieder trafen wir auf einen alten Bekannten. Von weitem schon erkannte
Thallian das Wappen auf seinem Schild. Zwei weiße Schwerter
auf rotem Grund. Das Wappen von Winhall! Das konnte nur der
Schwertkönig Markgraf Raidri Konchobair sein. Und mit ihm ritt
der kleine 9jährige Ulfried, Darian’s Sohn und nun
Page des berühmten Kriegers.
Für einen Beobachter muss die Begegnung seltsam ausgesehen
haben. Zuerst begrüßten alle ehrfürchtig
den Markgrafen, dann wurde auch der Page von allen mit Handschlag
begrüßt und mit höflichen Fragen zu seinem
Wohlbefinden überschüttet.
Der Markgraf war mit seinen stolzen 58 Wintern immer noch so hart wie
Zwergen-Stahl und zäh wie bestes Leder. Erst auf eine Frage
der Elfe, der seine etwas gezwungene Gestik aufgefallen war, fiel ihm
auf dass er sich bei der kürzlichen Begegnung mit zwei
Brückentrollen wohl den Arm gebrochen hatte. Shala
kümmerte sich mit der guten elfischen Heilmagie
natürlich sofort darum.
Leider konnte er uns nicht auf unserer Mission begleiten, da er selbst
dringend in seine Markgrafschaft Winhall musste, um dort für
Ordnung zu sorgen. Offenbar war Winhall kürzlich in die
Streitigkeiten im Rahmen der Spaltung der Praios-Kirche hinein geraten.
Allerdings konnte er uns noch den Tipp geben, dass Weißdorn
die beste Waffe gegen Vampire sei. Mir war von magischen Eigenschaften
dieser Pflanze nichts bekannt, aber wir würden
natürlich jede Möglichkeit nutzen.
Weißdornpflöcke sollten wohl problemlos zu besorgen
sein.
In Baliho verteilten suchten wir zuerst Hauptmann Sachsenberg von der
Stadtwache auf und befragten ihn nach ungewöhnlichen
Ereignissen. Tagesgespräch war immer noch die Ergreifung des
Metzenschnitters durch eine Gruppe von KGIA Agenten. Mit unserem Titel
als Reichsberater konnten wir nach kurzer Diskussion auch Einblick in
die inoffiziellen Geheimberichte erlangen in denen klargestellt wurde,
dass es sich hierbei um einen Vampir gehandelt haben musste.
Anschließend befragten wir den diensthabenden
„Pathologen“ Weibel Garret im Totenhaus und
ließen uns eine Liste aller kürzlich Verstorbenen
geben. Einige Todesfälle konnten wir dem Metzenschnitter
zuordnen. Den Rest beschlossen wir näher zu untersuchen. Tode
ohne erkennbare Todesursache gab es für meinen Geschmack etwas
zu viele hier in der Stadt.
Für die Nachforschungen trennten wir uns.
Salix mischte sich unter das Volk und spielte später eine
Runde Karten im Silbertaler.
Unseren Kutscher Boris steckte DeLinth 20 Silberlinge zu und schickte
ihn zum Saufen mit den anderen Kutschern und Handlangern in’s
"Ochsenbruch und Achsenhorn". Im Nachhinein war es vielleicht nicht die
beste Idee, einen bornländischen Alkoholiker mit so einem
Auftrag loszuschicken, aber was soll’s.
Ich selbst nahm Shalas Angebot an, mich in einen elfischen Heilschlaf
zu versetzen und erwachte erst am nächsten Morgen mit neuer
Kraft erfüllt.
DeLinth warf sich ebenfalls sofort ins Bett um neue Kräfte zu
sammeln.
Thallian hatte keine Wahl, als seine im letzten Kampf erhaltenen Wunden
auszukurieren. Die Verbände die DeLinth
großzügig mit Wirselkraut füllte,
unterstützten die Heilung. Offenbar hatte er in dem Laden der
verschollenen Kräuterfrau Gesine einiges als Beweismittel
"beschlagnahmt". Wie ich ihn kenne, hat er jedoch sicherlich eine mehr
als großzügige Entschädigung beim
Dorfschulzen für die nächste Kräuterkundige
hinterlegt. Später erfuhr ich dass Thallian trotz seiner
Wunden noch die Zeit gefunden hatte einige Stadtwachen auszuhorchen.
29. Travia 23 Hal
Gasthof „Kaiserstolz & Orkentod“ in Baliho
Die Besprechung beim Frühstück heute Morgen war sehr
interessant. Salix hatte es beim Glücksspiel im "Silbertaler"
an den Tisch der reichsten Kartenspieler geschafft und spielte am
Schluss um einen Pott von über 1500 Dukaten! Der Gewinner
hatte jedoch nur wenig Glück mit seinem Gewinn, da er noch
beim Einstreichen des Goldes tot vom Stuhl fiel. Da an diesem Tisch
nichts gegessen und getrunken wurde und Salix keine offensichtlichen
Wunden oder Giftpfeile erkennen konnte, sehr rätselhaft.
Auf meinem Spaziergang durch die Stadt kam es kurz darauf zu einem
merkwürdigen Ereignis:
Plötzlich, ohne Vorwarnung fühlte ich mein linkes
Auge, das Auge das nun aus einem magischen Rubin besteht, aufleuchten
und warm werden. Meine Sicht trübte sich in rotem Nebel, aus
dem kurz darauf schemenhafte Strukturen erkennbar wurden. Die Passanten
und meine Gefährten die um mich waren, schwanden aus meinem
Sichtfeld. Ohne darüber nachzudenken riss ich mir unbewusst
die Augenklappe herunter. Sofort füllte sich meine Sicht mit
magischen Strukturen. Die magischen Waffen und Artefakte meiner
Gefährten, DeLinths und Shalas magische Aura. Doch all dem
schenkte ich keine Beachtung. Wie in Trance starrte ich auf eine
mächtige Kraftlinie, die quer durch die Stadt lief. Dicht
über dem Boden. Dann stieg sie auf einmal empor und floss
direkt durch die 1000 jährige Henkerseiche auf dem Marktplatz.
Fünfzig oder sechzig Schritt folgte ich gebannt und wie in
Trance der Kraftlinie bis ich mein Bewusstsein wiedererlangte und meine
Umgebung wieder normal wahrnehmen konnte. Leute standen um mich,
zeigten auf mich und machten das Zeichen gegen den bösen
Blick. Mein leuchtendes Kristallauge hatte das dumme
abergläubische Volk wohl erschreckt. DeLinth zerrte mich in
eine Seitengasse, wo ich ihm schnell von meinem Erlebnis berichtete.
Mit einem Oculus konnte auch er, allerdings nur mit sichtbarer
Mühe, die Kraftlinie erkennen.
Etwas erschüttert setzten wir unseren Weg durch die Stadt
fort. Weitere Nachforschungen und Vergleiche von Informationen ergaben
ein interessantes Bild. Fast alle ungewöhnlichen Tode, und
diese fanden regelmäßig alle drei bis vier Wochen
statt, ereigneten sich im oder um oder im direkten Zusammenhang mit dem
Gasthof Silbertaler.
Natürlich lief ich sofort los um mir die Leiche des
unglücklichen Gewinners anzuschauen. Ein vorbereitender Odem
Arcanum ergab eine schwache magische Reststrahlung. Eine sehr
ausführliche und überaus gelungene Analyse ergab
folgendes Bild:
Primus: Todesursache war ein Zauber mit schadensähnlicher
Struktur.
Secundus:
Eine Representation oder klare systematische Strukturen oder Merkmale
waren nicht erkennbar. Es handelte sich beim Täter also um
keinen ausgebildeten Zauberkundigen. Für einen Magiediletanten
war die Wirkung jedoch viel zu stark, denn der Tod trat durch sofortige
und schlagartige Auslöschung aller Lebenskraft ein. Der Zauber
zielte auf den gesamten Körper. Das Opfer war von normaler
Statur und offenbar bei bester Gesundheit, der Zauber musste daher die
vielfache Wirkung eines normalen Fulmen gehabt haben.
Angewendet wurde also vermutlich eine Art angeborener
Fähigkeit eines übernatürlichen Wesens. Die
Erinnerung an Fredo und seine Opfer lag hier nahe.
Der neue Besitzer des Silbertalers, Weidhart von Salmsbrück,
war Mitte Praios nach längerer Abwesenheit in der Stadt
aufgetaucht und hatte mit einer großen Menge Goldstaub den
Silbertaler aufgekauft. Kurz danach begannen die seltsamen
Todesfälle, die die Stadtwache jedoch nicht damit in
Verbindung brachte.
Tagsüber hatte den Herrn von Salmsbrück seither
keiner mehr gesehen, der Silbertaler öffnet nach
Sonnenuntergang und schließt vor Sonnenaufgang.
Offensichtlicher hätte dies wohl kaum sein können!
Wie DeLinth immer sagt sind die Weidener wohl alle etwas träge
im Kopf.
Der Hauptmann war bei unseren Fragen in dieser Richtung sehr
ausweichend und wiegelte alle Vorschläge ab. Der Herr von
Salmsbrück sei ein guter Bürger der Stadt und
über alle Zweifel erhaben. Selbst auf DeLinths
übliche Drohungen reagierte er nicht. Misstrauisch geworden
trat ich im Gespräch hinter ihn und nutzte einen Analys um auf
magische Beeinflussung zu testen. Trotz meiner mehr als meisterhaften
Kenntnisse der magischen Analyse gelang es mir nur vagste Restspuren
eines vergangenen Beherrschungszaubers zu finden. Offenbar hatte dieser
in der Vergangenheit bestimmte Befehle verankert die nun nicht mehr auf
magischem Wege zu brechen waren, da keine aktive Matrix mehr vorhanden
war. DeLinth war nur schwer zu überzeugen, dass selbst ein
entsprechend mächtiger Bannzauber hier auch nichts helfen
würde, da es nichts mehr zu bannen gab. Man hätte dem
Hauptmann schon einen neuen magischen Befehl geben müssen. Die
Auswirkungen der Interaktion der Restspuren alter Beherrschung und
eines neuen Zaubers waren jedoch nicht absehbar. Wahnsinn oder
berserkerhafte Wut des Zielobjektes waren noch die harmlosesten zu
erwartenden Ergebnisse.
Sein Vorgesetzter, der Vogt von Nordmark war bei unserem Besuch gerade
nicht anwesend und wurde auch in nächster Zeit nicht
zurück erwartet.
Ohne die Unterstützung durch die Stadtwache würden
wir wohl andere Verbündete suchen müssen…