Aus dem Tagebuch des Magus Consultatoris Rodrik Bannwäldner
Beratender Magus zu Fragen schwarzmagischer Phänomene und
deren Bekämpfung
06. Praios 1030 BF
Honingen
Wir hatten die Beschreibung des Mörders von Ealger und Meister
Vyburn verbreitet um endlich ein paar weitere Hinweise zu bekommen.
Prompt begannen irgendwelche Witzbolde das Gerücht von einer
Mumie zu verbreiten die in Honingen Morde beging. Als ich das
vorgeschlagen hatte, fand ich es noch witzig. Jetzt nicht mehr.
Niam versuchte die Unterwelt zu unterwandern, hatte aber als Unbekannte
in einem so misstrauischen Milieu keine Chance.
Raun wollte Informationen über die feine Gesellschaft sammeln
und kam irgendwie auf die Idee den örtlichen Nobel-Barbier
auszuhorchen. Einen Kerl namens Gögler oder so
ähnlich. Er scheiterte aber schon an der Empfangsdame die sich
weigerte einem so schäbig gekleideten und frisierten Kerl
einen Termin zu geben. Er verbrachte dann den restlichen Vormittag
damit sich angemessenere Kleidung und einen normalen Haarschnitt zu
besorgen.
Wir sammelten uns dann und zogen zu der Kräuterhexe die eine
Wegstunde südlich von Honingen lebte. Irgendwie rechneten wir
mit Ärger. Unterwegs begegnete uns allerdings nur eine junge
akrobatische Schelmin namens Schelle Ziehleine. Sie zauberte mir die
Kleider vom Leib und vergrößerte Murthakh auf fast
sieben Schritt schlacksige Höhe. Ich ignorierte meine
Blöße und versuchte nützliche Informationen
aus ihr heraus zu bekommen und bestach sie sogar noch mit dem
Honigbold. Natürlich vergeblich. Aber wenigstens waren wir das
meckernde Honigglas los.
Wenig später kamen wir zu der netten alten
Kräuterfrau. Nützliche Informationen hatte sie jedoch
nicht. Die Nachricht über den Tod von Vyburn nahm sie sehr
mit. Sie konnte uns an Hinweisen nur den Namen der örtlichen
Hofalchemistin nennen.
Als Gegenleistung entfernte Murthakh noch ein lästiges
Wespennest hinter dem Haus. Der Masochist kam dann nach drei Minuten
völlig zerstochen wieder zurück und ließ
sich widerwillig mit Salbe einschmieren.
Ich konnte mir den Ablauf lebhaft vorstellen. Er hatte vermutlich das
Wespennest abgerissen, geschüttelt und so etwas sie
„Kommt raus und kämpft!“ gebrüllt.
Trotzdem oder eventuell gerade wegen des Unfalls mit den Wespen war er
auf dem Rückweg so reizbar, dass wir ein gutes Stück
Abstand hielten. Leider konnten wir daher nicht eingreifen als ein
harmloser alter Pilzsammler hinter einem Baumstamm hervortrat, Murthakh
durch seine bloße Anwesenheit aufs
äußerste reizte und dafür brutal mit der
Axt zerstückelt wurde. Wir hielten Abstand bis er sich
abreagiert hatte und überredeten ihn dann mühsam sich
vor dem Stadttor noch das Blut abzuwaschen.
Bei der Gelegenheit fiel mir ein, dass ich am Vormittag noch auf der
Stadtwache erfahren hatte wo unser vermisster Hauptmann sich aufhielt:
Nämlich im Stadtgefängnis. Dass er mit einem Wagen
von Leichen und einem Stapel Steckbriefen versucht hatte die
Belohnungen ausgezahlt zu bekommen, hatte wohl nicht so gut geklappt.
Gut, die Toten waren Abschaum gewesen, aber Abschaum der –
wie wir vermuteten – für die Gräfin
gearbeitet hatte. Oder zumindest für einen ihrer Untergebenen.
Und irgendjemand in der Stadtwache war wohl eingeweiht und hatte sich
sichtlich nicht gefreut. Ich hatte auch noch mitbekommen, dass er
Widerstand gegen die Festnahme geleistet hatte und ihm dabei der Arm
gebrochen worden war. Raun regte sich darüber auf, dass ich
damit erst jetzt heraus kam, immerhin müsse der Arm ja
behandelt werden. Ich war erstaunt, denn Gefangene wurden meines
Wissens ja immer angemessen behandelt. Raun war da ganz anderer Ansicht
und machte sich sofort auf zum Stadtgefängnis.
Wenig später berichtete uns ein Straßenjunge, dass
unser Stadtdruide mit dem Kodenamen „Uran“
ebenfalls festgenommen worden war. Wie ich später herausfand,
war er einfach in die Stadtwache marschiert und hatte verlangt seinen
Freund verarzten zu dürfen. Natürlich hatte man ihn
dann gleich daneben gehängt. Und wenn Magier schon Probleme
mit Eisenfesseln haben, dann gilt das noch mehr für Druiden.
Die Stadtwache holte sich ihre Verhaftungsquote diesen Monat wirklich
etwas zu leicht. Ich ging zur Dicken Gans Travin und informierte ihn,
dass einer seiner Mitarbeiter versehentlich verhaftet worden war, als
er versucht hatte einen Verbrecher auszuhorchen indem er ihn
verarztete. Dabei hätte er sich allerdings zu kompliziert
ausgedrückt und war von den ungebildeten und wenig an genauer
Sachverhaltsaufklärung interessierten Wachen verhaftet worden.
Genervt holte Travin unseren Druiden wieder aus dem Gefängnis.
Dort bestand dieser aber noch darauf den Gefangenen zu verarzten, auch
wenn dieser sich mit Händen und Füßen
dagegen wehrte. Helmbrecht spielte recht gut dass er uns nicht kennen
würde.
Ihm war sicher klar dass wir schlicht nicht die Zeit hatten seine
Unschuld zu beweisen. Mal ganz davon abgesehen, dass die selbst die
unfähigen Stadtwachen seinen Steckbrief eventuell finden
würden sobald sie sich die Zeit nahmen sich mit seinem Fall zu
beschäftigen. Aktuell hatten das Turnier und unser Auftrag
Vorrang. Befreien konnten wir ihn immerhin jederzeit problemlos.
Danach ging ich zu der Alchemistin Ynlais Boronwyn. Sie kam gerade vom
Kräutersuchen zurück und wusste nichts von den
aktuellen Ereignissen. Ich schmeichelte ihrem großen Ego und
lobte ihr wirklich herausragend ausgestattetes Alchemielabor. Sie war
sehr von sich eingenommen, aber sie kam mir nicht wie eine
Giftmischerin vor. Und sie kannte außer der
Kräuterfrau die wir schon kannten keine anderen Alchemisten
oder ähnliches in der Stadt.
Auf der Straße kamen laufend Informanten, die uns mit
irgendwelchen Geschichten das Silber aus der Tasche stehlen wollten.
Eine alte zahnlose Muhme kam mir dabei recht glaubhaft vor, als sie von
der Sichtung einer Mumie vor ein paar Tagen erzählte. Sie
hätte ihn bei dem Alchemisten gesehen, der neuerdings in einem
alten Turm der ehemaligen Stadtbefestigung wohnen würde. Der
Alchemist sei erst seit kurzem in der Stadt. Seltsam, dass die
Hofalchemistin von ihm nicht sofort gehört hatte. Sie
verlangte eine Unsumme für die Adresse. Bevor wir feilschen
konnten, bot Rodrigo schon an sie in Naturalien zu
entschädigen und es ihr so richtig zu besorgen. Murthakh und
Niam erbrachen sich bei der Vorstellung beinahe, Raun wurde blass und
ich drückte ihr schnell eine Handvoll Silbermünzen in
die Hand um das Unheil abzuwenden. Vergeblich, irgendwie hatte Rodrigo
es geschafft sie trotz ihres Alters heiß zu machen. Eine
Reanimation der Libido die mit Sicherheit in den Bereich der
Nekromantie fallen sollte. Sie gab uns die Adresse und zog sich dann
mit Rodrigo in eine Seitengasse zurück. Die Alte musste
gefühlte 120 Jahre alt sein!
Wir flüchteten auf schnellen Sohlen und ließen die
grässlichen Geräusche hinter uns zurück.
Dies würde mich noch einige Tage in Alpträumen
heimsuchen.
Der Alchemist wohnte in einem kleinen Turm. Nach kurzem Klopfen kam er
gleich herunter und bat uns höflich herein. Er war Mitte
Zwanzig und wesentlich freundlicher als die hochnäsige
Hofalchemistin. Er trug die übliche dicke
Lederschürze und trug zum geölten Haar einen kurzen,
gewachsten Alchemistenbart.
Oben im Turm konnten wir eine komplexe Apparatur sehen, in der gerade
ein Experiment lief. Mehrere Brenner und Destillatoren waren mit
verschiedenen Kolben zusammengebaut. Das Ganze gab mir Rätsel
auf, da ich den Aufbau nicht mal in Ansätzen nachvollziehen
konnte. Unternahm der hier mehrere Destillationsschritte auf einmal?
Das machte normalerweise kein Alchemist da das Risiko einer fatalen
Kettenreaktion viel zu hoch war.
Auf meine Nachfrage erklärte er mir, dass es sich hier um die
Destillation des „Incredium Brobolum“ handelte. Ein
Elixier das Reichtum herbeiführen sollte. Ich
übersetzte das aus dem Bosparano mit „Unglaublichen
Schwachsinn“ und zweifelte die doch sehr vage
erklärte Wirkung sofort an. Ich fragte ihn wo er seine
Ausbildung genossen hatte und er nannte das „Alchemistische
Institut zu Havena“. Ich kannte alle Alchemistengilden
zumindest vom Namen her und in Havena gab es keine. Wir sammelten uns
sehr drohend um ihn und ich löcherte ihn mit ein paar
Fachfragen. Es stellte sich schnell heraus, dass er nicht die geringste
Ahnung von den alchemistischen Prinzipien hatte. Der Kerl war nicht nur
schlecht ausgebildet, er hatte überhaupt keine Ahnung von dem
was er da tat!! Er hatte vermutlich einmal einen Alchemisten gesehen
und kannte ein paar bosparanische Fachbegriffe und hatte ein geringes
Wissen über einige Pflanzen und Tierpräperrate, den
Rest dachte er sich spontan aus. Und die Apparatur im Raum hinter uns
war ebenfalls reine Augenwischerei. Die Honinger hatten ihm seine
dreisten Lügen aber abgekauft und einige seiner Produkte
erworben. Liebestränke, Potenzmittel und ähnlicher
Schmuh. Vor drei Tagen hatte ein Mann mit verbundenem Gesicht von ihm
ein starkes Brechmittel erstanden. Wir hatten also unseren Giftmischer
gefunden!
Ich horchte ihn sofort nach dem Rezept aus. Alraune, Mäuseblut
und Rattenschwänze. Als ich von meinem Notizzettel auffordernd
hoch sah und auf den Rest des Rezeptes wartete, schaute er mich nur
verständnislos an. Das war alles. DAS WAR ALLES??? Ich konnte,
ich wollte es nicht glauben!
Das und alles was noch an Resten in seinen schmutzigen
Reagenzgläsern und Kolben geklebt hatte. Vielleicht hatte die
Maus auch noch etwas Ungewöhnliches gefressen was dann mit der
Alraune reagiert hatte. Nachvollziehen ließ sich das jedoch
nicht mehr.
Der Kerl war ein absolut unfähiger, aber harmloser
Betrüger. Naja, harmlos wenn man davon absah, dass seine
Unfähigkeit ein halbes Dutzend Todesopfer gekostet hatte. Niam
bestand darauf den Kerl der Stadtwache auszuhändigen, aber
bevor wir ihn ergreifen konnten, begann die Versuchsanordnung hinter
ihm plötzlich zu rauchen und zu fauchen. Wir konnten uns
gerade noch die Treppe hinunter und aus dem Turm heraus retten, als das
komplette oberste Stockwerk explodierte.
Der Donner dröhnte noch in den Ohren, Trümmer fielen
mir auf Kopf und Schultern und als ich mich wieder aufrappelte, drehte
sich alles um mich. Einen Moment konnte ich im Haus nebenan an einem
Fenster im oberen Stockwerk ein verbundenes Gesicht sehen, dann
verschwand die Gestalt. Ich rief meinen Kameraden zu sie zu verfolgen,
aber ich konnte meine eigene Stimme noch nicht wieder hören.
Die anderen wohl ebenso wenig. Niam versuchte mir das Gleiche zu
erklären. Bevor wir uns wieder erholt und organisiert hatten,
war der vermummte Mörder längst wieder über
alle Berge. Und auch der Alchemist war natürlich nirgends mehr
zu sehen.
Ich überlegte immer mehr ob es nicht am einfachsten sein
würde einfach die Stadt anzuzünden. Nichts schmiedet
eine Bevölkerung so schnell zusammen wie der gemeinsame Kampf
ums Überleben.